Mit einem Digital-Pakt will Brüssel Tech-Riesen wie Facebook und Google begrenzen, um die Position der Verbraucher zu stärken EU-Kommission plant Revolution im Netz
BRÜSSEL · (dpa). Unter Androhung von Milliardenstrafen soll die Marktmacht von Internet-Giganten wie Facebook, Google oder Amazon in der EU begrenzt werden. Zudem sollen die Position von Verbrauchern gestärkt und illegale Inhalte wie Hassrede verpflichtend aus dem Netz gelöscht werden.
Dazu legte die EU-Kommission am Dienstag ein umfassendes Digital-Paket vor, das den digitalen Raum in der EU und darüber hinaus neu ordnen könnte. Als letzte Option droht die Behörde sogar damit, Tech-Riesen zu zerschlagen.
Damit verschärft die EU-Kommission ihr Vorgehen gegen die Online-Riesen. Zuletzt wurden in der EU vor 20 Jahren umfassende Spielregeln für digitale Dienste und Online-Plattformen festgelegt. „Die beiden Vorschläge dienen einem Zweck: sicherzustellen, dass wir als Nutzer Zugang zu einer großen Auswahl sicherer Produkte und Dienste im Netz haben“, sagte die für Digitales zuständige EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager. Zudem solle fairer und freier Wettbewerb sichergestellt werden - online und offline. Vestager sagte kürzlich, man sei an einem Punkt, „an dem die Macht der digitalen Unternehmen - insbesondere der größten Gatekeeper - unsere Freiheiten, unsere Chancen, sogar unsere Demokratie bedroht“.
Bislang gilt in der EU online mitunter das Recht des Stärkeren. Damit soll Schluss sein. Die EU-Kommission bemüht sich zwar schon länger um einen konsequenteren Kurs gegenüber Facebook, Amazon, Google und Co. Lange setzte die Behörde jedoch auf Freiwilligkeit - etwa bei der Bekämpfung von Fake-News-Kampagnen in sozialen Netzen.
Zugleich verhängte die für Wettbewerb zuständige Vestager Milliardenstrafen etwa gegen Google und Amazon. Die Dänin warf den Unternehmen vor, ihre Marktmacht rechtswidrig genutzt zu haben. Das Problem: Derlei Strafen werden erst nach jahrelanger Untersuchung verhängt. Mögliche Konkurrenten existieren da vielleicht nicht mehr.
Konkret hat die EU-Kommission am Dienstag zwei Vorschläge vorgelegt: ein Gesetz für digitale Märkte, das die Marktmacht besonders großer Plattformen angeht; und ein Gesetz für digitale Dienste, das eher auf gesellschaftliche Fragen eingeht. Darin wird etwa festgelegt, dass Online-Plattformen ihre Werbung und auch ihre Empfehlungsalgorithmen transparenter machen müssen. Es soll zudem Regeln für das Löschen illegaler Inhalte oder Waren geben. Große Dienste müssen mehr Vorgaben erfüllen als kleine.
Gesetz für digitale Märkte
zielt auf die ganz Großen ab
Auf die besonders großen Anbieter zielt das Gesetz für digitale Märkte ab. Es sieht unter anderem vor, dass eine Reihe als unfair erachteter Methoden verboten ist. Darunter fällt etwa das Verbot, vorinstallierte Apps zu löschen. Außerdem müssten diese Gatekeeper bestimmte Maßnahmen ergreifen, damit die Software mit den Diensten anderer Anbieter funktioniert. Die Regeln sehen Strafen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens vor. Im Härtefall droht die EU-Kommission sogar mit der Zerschlagung. Bevor die Vorschläge der EU-Kommission umgesetzt werden, müssen EU-Staaten und Europaparlament sich noch auf eine Linie verständigen.
Einfach wird es nicht, die Marktmacht der großen US-Konzerne einzuhegen, die schon seit Monaten massiv für möglichst gefällige Vorschläge aus Brüssel lobbyieren. Dabei bemühte sich die EU-Kommission stets, ihre Vorschläge möglichst harmlos aussehen zu lassen: Unternehmen seien mehr als willkommen, in der EU erfolgreich zu sein - aber eben nur, wenn andere Firmen nicht unrechtmäßig kleingehalten werden, sagte Vestager. Sollten die neuen Regeln die Fragmentierung des digitalen Binnenmarkts beenden und fairere Bedingungen schaffen, könnten sie tatsächlich für mehr Wettbewerb - und dadurch für mehr Innovation in Europa - sorgen.