Es gibt in Deutschland weniger landwirtschaftliche Betriebe, die dafür größer sind – das Verbraucherverhalten ist ein Grund Immer mehr Bauern geben auf

BERLIN/WIESBADEN · . Mit fünf Euro kommt man an der Fleischtheke im Supermarkt noch immer weit: Ein Kilo Krustenbraten gibt es schon für 4,99 Euro. Oder darf es auch ein Pfund Filet sein? Mit günstigem Fleisch lockt der Handel seit jeher die Kunden; Lebensmittel sind in Deutschland günstiger zu haben als in vielen Nachbarländern.

Schweinehalter haben heute im Schnitt 827 Tiere im Stall. 2010 waren es noch 459.

Foto: dpa/Sebastian Willnow

Das betrifft nicht nur Supermarktkunden und Handel, sondern hat Folgen für die Bauern. Immer weniger Betriebe produzieren für immer mehr Menschen.

Landwirte brauchen mehr Wertschätzung, fordert der Bauernverband bei der Online-Ausgabe der Agrarmesse Grüne Woche, die am Donnerstag zu Ende ging. Kaum jemand wolle aber im Supermarkt mehr ausgeben für Lebensmittel, die mehr Umwelt- und Tierschutz garantieren.

Nüchtern fasst das Statistische Bundesamt in Zahlen, was auf dem Land einen drastischen Wandel bedeutet. Deutsche Bauernhöfe waren 2020 so groß wie nie. 63 Hektar Land beackert ein Betrieb im Durchschnitt, sieben Hektar mehr 2010. Auch die Tierbestände wachsen. Schweinehalter haben im Schnitt 827 Tiere im Stall, 2010 waren es noch 459. Fast jeder zweite Schweinehalter hat seither aufgegeben.

Inzwischen ernährt ein Landwirt mehr als 130 Menschen

1949 ernährte ein Landwirt rechnerisch zehn Menschen, heute sind es mehr als 130, wie aus Zahlen des Bauernverbands hervorgeht. Maschinen haben den Bauern viel Handarbeit abgenommen, auch in den Ställen. Sie trimmten ihre Betriebe auf Effizienz, produzieren längst Fleisch für den Weltmarkt. „Wachse oder weiche“, ist seit langem die Devise.

Das umstrittene Wort „Massentierhaltung“ steht längst in Schulbüchern, doch immer seltener sitzt ein Bauernkind mit im Klassenraum. Der Kontakt geht verloren. Immer weniger Menschen erleben selbst, wie Fleisch, Milch und Getreide produziert werden, trotz regelmäßiger „Tage des offenen Hofes“.

Die zuständige Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) stellt sich in der „massiven Umbruchphase“ vor die Bauern und wirft Kritikern vor, Leistungen würden nicht anerkannt, ihre wirtschaftliche Lage nicht berücksichtigt, über Ernährungssicherheit nicht nachgedacht. Frustration mache sich breit. Manche Kritiker pflegten ein „Wunschgefühl nach heiler Welt“, oft geprägt durch eine städtische Sicht auf die Dinge.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch warf dagegen dem Ministerium Schönfärberei vor. Missstände in der Landwirtschaft würden ausgeblendet. Die Ministerin solle einfach mal ihre Arbeit machen, forderte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. Bauern bräuchten verlässliche Rahmenbedingungen. Bis zur Sommerpause sei ein Konsens der Agrar- und Umweltressorts in Bund und Ländern notwendig, wie die EU-Agrarpolitik in der neuen Förderperiode umgesetzt werden solle.

Umweltschützer und Anbauverbände warben bei der Vorstellung des Kritischen Agrarberichts dafür, mit dem Geld aus Brüssel möglichst viele Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen zu fördern und den Ökolandbau voranzubringen. Jeder zehnte Betrieb hat laut Statistischem Bundesamt inzwischen auf Bio umgestellt, vor allem in Süddeutschland. 2010 waren es sechs Prozent. Die EU will 25 Prozent bis 2030 erreichen.

Eine Kommission um Ex-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) hatte einen Investitionsbedarf von zunächst 1,2 Milliarden Euro jährlich in den Ställen ermittelt. Tierische Produkte könnten dafür etwa durch eine Verbrauchssteuer oder „Tierwohl-Abgabe“ teurer gemacht werden. Denkbar wären etwa 40 Cent je Kilo Fleisch und Wurst.