Was bringen die versprochenen Milliarden? Kritik an Stamps Kita-Plänen
Düsseldorf · Gegen die Reform des Kinderbildungsgesetzes regt sich Widerstand. Am Donnerstag (23.Mai.) wollen Tausende in Düsseldorf demonstrieren.
Die Diskussionshoheit über eine Reform der Zustände in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten lag bisher bei der schwarz-gelben Landesregierung. Und Familienminister Joachim Stamp (FDP) hatte vielleicht auch kaum mit Gegenwind gerechnet, als er seinen mittlerweile von der Landesregierung abgesegneten Gesetzentwurf für eine Reform des Kinderbildungsgesetzes lobte. Schließlich investiert NRW ab dem Kita-Jahr 2020/21 jährlich zusätzlich rund 1,3 Milliarden Euro an Landes-, kommunalen und Bundesmitteln in die Kindertagesbetreuung. Und schafft damit, wie Stamp betont, „starke Rahmenbedingungen für gute frühkindliche Bildung und Betreuung unserer Kinder und mehr Familienfreundlichkeit“.
Eigentlich müssten doch alle zufrieden sein mit den Ankündigungen, dass knapp eine Milliarde Euro zusätzlich in die Qualitätsverbesserung fließt - für mehr Erzieherinnen und Erzieher, mehr Flexibilität bei den Öffnungszeiten und Sprachförderung. Und dass jährlich mindestens 115 Millionen Euro in den Ausbau neuer Betreuungsplätze gehen sollen. Und dann gibt es schließlich auch noch das Bonbon für die Eltern - ein weiteres beitragsfreies Jahr.
Trotz all dem gibt es Widerstand, dem am kommenden Donnerstag (23.Mai) mehrere Tausend Erzieherinnen und Erzieher, Eltern, Unterstützer und auch Kinder bei einer Demonstration in Düsseldorf Ausdruck verleihen wollen. Um im anstehenden Gesetzgebungsprozess doch noch die eine oder andere Verbesserung durchzudrücken.
Katharina Schwabedissen ist Sprecherin von „Mehr Große für die Kleinen“. Das Bündnis setzt sich zusammen aus Mitgliedern des Landeselternbeirates, Mitarbeitervertretern der Kirchen, Gewerkschaftern und Betriebsräten von Kitas. Für Schwabedissen steht fest: „Der Blick der Landesregierung ist finanzgesteuert, er rückt weder das Kindeswohl noch die personelle Ausstattung oder gute Arbeitsbedingungen in den Kitas in den Vordergrund.“ Durch „halbgare Lösungen“ würden strukturelle Probleme nicht gelöst.
Thorsten Böning, ebenfalls Sprecher des Bündnisses, warnt, dass das Versprechen der Landesregierung, die Öffnungszeiten auszuweiten und zu flexibilisieren, am Ende an der Finanzierung scheitern werde. Um angesichts der dünnen Personaldecke in den Kitas neue Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen, müsse auch die schulische Ausbildung bereits vergütet werden.
Auch solle es hauswirtschaftliche Kräfte für die Kitas geben, fordert das Bündnis. Stattdessen sei aus der CDU-Landtagsfraktion der Vorschlag gekommen, mit den Kindern Äpfel zu schälen, beklagt Helga Tillmann vom Zentralverband Katholscher Kirchenangestellter. „Wenn man 100 Kinder mit Essen versorgen muss, kann man nicht Äpfel schälen. Die brauchen eine vernünftige Mahlzeit.“ Der Vorschlag mit dem Äpfelschälen zeige, dass viele Politiker gar keine Ahnung hätten, was Kitas wirklich benötigten.
Sonja Kern, Leiterin einer Kita in Arnsberg fordert: „Kinder brauchen Kontinuität, Rituale, Bezugspersonen - all das spiegelt das Gesetz nicht wider.“ Die Kita-Leitungen müssten freigestellt werden, um ihre organisatorischen Aufgaben zu schaffen. In der Gesellschaft werde immer geklagt, dass alle unkonzentriert seien und es keine Benimmregeln mehr gebe. „Wir brauchen eben mehr Zeit für Bildung“, sagt Kern.
All das kostet zusätzliches Geld. Hätte man da nicht lieber noch das weitere beitragsfreie Jahr aufschieben sollen? Katharina Schwabedissen will davon nichts wissen: „Nein, man darf nicht das eine gegen das andere ausspielen. Frühkindliche Bildung muss gebührenfrei sein, und Kitas müssen als Bildungseinrichtung durchfinanziert werden, das ist Aufgabe der Landesregierung.“
Auch das Bündnis sieht freilich positive Ansätze in dem Reformplan von Joachim Stamp. Und gerade deshalb attestiert Bündnissprecher Böning dem Familienminister auch zähneknirschend politisches Geschick. Das mache es nicht leicht, Widerstand zu mobilisieren: „Stamp schreibt Geschenke für Kommunen und Eltern ins Gesetz und suggeriert den Kitabeschäftigten, dass es besser wird.“ Wenn man sich das Gesetz aber näher ansehe, könne viel von dem Versprochenen nicht umgesetzt werden. Böning: „Das werden die Kollegen in den Kitas und die Eltern 2020 vor Ort noch erleben.“ Und dann werde der Zorn enttäuschter Eltern am Ende bei den Kitaleitungen abgeladen.