Ali Demir: „Ramadan ist mitfühlen und mitdenken“

Ali Demir ist Regionalkoordinator im Abo-Vertrieb bei der WZ und erklärt, warum er ab Samstag fastet. Und warum Terroristen den Islam auf unerträgliche Weise missbrauchen.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Da lacht Ali und fragt: „Als Krefelder Türke? Natürlich in der Südstadt.“ Ali Demir ist hier aufgewachsen. Als praktizierender Muslim. Mit zwei Brüdern und einer kleinen Schwester, die noch das Vera-Beckers-Berufskolleg besucht. Die Jungs sind bei Vodafone und im Karosseriebau beschäftigt, Papa Müslüm ist seit 27 Jahren Industriemechaniker bei den PWK in Linn.

Ali Demir koordiniert den Abo-Vertrieb bei der Westdeutschen Zeitung in Krefeld. Eine typische Krefelder Familie. Eine, in der ab Samstag allerdings etwas anders ist als bei vielen Nachbarn. In der Nacht beginnt der Ramadan. Und im Hause Demir wird einen Monat lang gefastet.

Und Ali Demir lacht. Dabei ist der Frohnatur eigentlich gar nicht zum Lachen zumute. Demir steht unter den Eindrücken der furchtbaren Bilder aus Manchester. Wieder mal hat ein junger Mann wahllos gemordet, 23 junge Menschen, im Namen des Islam. Demir macht es traurig und ärgerlich zugleich, wenn sein Glaube besudelt wird. Missbraucht von Terroristen. „Das ist angesichts des unendlichen Leids der Opfer und Familien, der ganzen freien Welt, natürlich erstmal zweitrangig. Aber es ist auch ein wichtiger Aspekt, der mich stört.“ Im Koran, sagt Demir, steht sinngemäß: „Wenn ein Mensch einen anderen umbringt, ist es so, als hätte er die ganze Menschheit ausgelöscht“.

Will heißen: Niemand darf über das Leben anderer entscheiden. Er darf gemäß den Suren auch keinen Selbstmord begehen. „Wer Leben auslöscht, kommt direkt in die Hölle. 70 Jungfrauen, wenn ich so einen Quatsch schon höre.“ Gerade im Ramadan steigt die Angst vor Terroranschlägen ideologisch Verblendeter. Ali Demir, den 28-jährigen Krefelder, schockiert das.

Der Koran, wie aufgeklärte Menschen wie Demir ihn lesen und verstehen, lehre den Frieden. „Und Demut. Dazu gehört eben auch der Fastenmonat Ramadan“, erklärt Ali Demir. „Essen und Trinken ist nichts Selbstverständliches, für viele Millionen Menschen auf Gottes Erde. Oder auf Allahs Erde, das ist doch dasselbe.“ Und Ramadan sei eben kein Hungern. „Es geht darum, mitzudenken, mitzufühlen und seinem Körper etwas Gutes zu tun.“

Dazu gehöre eine bewusste Ernährung zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Die Jahreszeit, lacht Demir wieder, war schon mal günstiger. Ramadan fällt immer in den neunten Monat des Mondkalenders im Islam. Er verschiebt sich also und ist jetzt im Sommer, wo die Tage sehr lang sind. Das kann anstrengend sein.

„Kinderfasten ist verboten“, erklärt Demir. „Genauso das Fasten für stillende oder werdende Mütter, Reisende oder Schüler. Eigentlich sollen alle auf das Fasten verzichten, die es körperlich und geistig nicht verkraften.“ Als Demir noch voll im Saft stand und als Verteidiger beim Rheydter Spielverein an der Tür zum Profifußball gekratzt hatte, gönnte er sich auch schon mal einen Tag fastenfrei. „Das wäre ja verrückt. Außerdem gibt es Ausgleichsmöglichkeiten.“

Wer das Fasten unterbricht, kann nach Ramadan einen Tag dran hängen. Oder ein so genanntes Fitre leisten. „Einem armen Menschen ein Abendmahl spendieren“, erklärt der WZ-Regionalkoordinator, der vor einigen Jahren mit seiner Ehefrau Vildan ins beschauliche Rheinberg gezogen ist. Sie arbeitet als Bankkauffrau in Mönchengladbach. Und fastet ebenfalls.

Ali Demir lebt diese Philosophie, seit er ein Jugendlicher war. Er durfte damals schon stundenweise fasten. „Einfach, um mitmachen zu können. Ich war viel mit meinem Vater in den Moscheen und Kulturvereinen unterwegs. Da gehört Verzicht zur Überzeugung.“

Das tut es für Demir bis heute. Wie die Vorfreude auf das große und für viele sehr persönliche Finale: das Fastenbrechen als Gemeinschaftserlebnis.