Historie Altes Haus an der Lohstraße: Ein Zeugnis Krefelder Geschichte

Der Kern des Hauses an der Lohstraße 106 ist etwa 300 Jahre alt. Es steht nun unter Denkmalschutz; zum Verdruss des Besitzers.

Foto: A. Bischof

Krefeld. Das Haus Nummer 106 an der Lohstraße ist eher unscheinbar. Inmitten der zahlreichen Nachkriegsbauten und gegenüber dem gläsernen Behnisch-Haus wirkt es wie aus der Zeit gefallen. Ursprünglich wollte es der neue Eigentümer, Michele Visiello, gemeinsam mit dem vorderen Geschäftshaus an der Königstraße 133 abreißen und dort ein Wohn- und Geschäftshaus bauen. Doch davor hat es das Rheinische Amt für Denkmalpflege bewahrt und es als Denkmal deklariert.

Ein umfangreiches Gutachten beweist: Der Kern des Hauses ist etwa 300 Jahre alt und im Zusammenhang mit der ersten Stadterweiterung das älteste und letzte erhaltene Wohnhaus des 17. Jahrhunderts in der Krefelder Innenstadt.

„Angesichts des Veränderungsdrucks, der ab 1720 bis heute im innerstädtischen Kernbereich durch Erweiterungen und Stadtsanierungskonzepte besteht und den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, ist es umso erstaunlicher, dass das Wohnhaus in der Lohstraße 106 über 300 Jahre diesen Widrigkeiten trotzen konnte und noch heute, wenn auch in baulich überformtem Zustand, erhalten ist“, erklärt die wissenschaftliche Referentin vom LVR, Nadja Fröhlich, in dem der WZ vorliegenden Gutachten. Mit Hilfe zahlreicher Quellen und der Bauforschung von Dr. Christoph Dautermann und Dr. Hans-Peter Schletter vom Museum Burg Linn hat sie auf zwölf Seiten die Besonderheit dieses Hauses herausgearbeitet. Das liest sich wie eine städtebauliche Zeitreise.

„Insbesondere die Kubatur, und das Innere, der tonnengewölbte Keller und das in Teilen erhaltene historische Fachwerkgefüge des Wohnhauses sind denkmalswert“, betont Dr. Helmut Köhren-Jansen, Leiterin der Abteilung Inventarisation beim LVR. Das heutige Wohnhaus wurde in mindestens zwei Bauphasen zwischen 1692 und 1735 errichtet. Bis 1834 befand es sich im Besitz der Familie von Felbert, die es Peter Johannes Steines vererbte. 1909 wird der Schuhmachermeister Johann Prinzen als Eigentümer geführt, kurze Zeit später der Uhrmacher Ernst Gronert und der Fischhändler Wilhelm Wirtz.

Von 1922 bis 1949 wurde das Gebäude von Jakob Sonnen, seines Zeichens Kaufmann und Friseur, genutzt. Er besaß zudem das Gebäude in der Königstraße 133, mit dem das älteste Wohnhaus der Krefelder Innenstadt noch heute verbunden ist. Zuletzt (bis Frühjahr 2016) wurde es vom Damenbekleidungsgeschäft Trude Waldhausen als Lager genutzt.

Während das Gebäude äußerlich „versteinert“ ist, handelt es sich im Kern um ein Fachwerkgerüst. Das ältere Gefüge ist im nördlichen Hausteil nachgewiesen, der südliche Teil ist im Erdgeschoss, vermutlich durch einen Brand, größtenteils erneuert und massiv aufgemauert worden.

„Das Wohn- und Geschäftshaus ist bedeutend für die Geschichte Krefelds, da es die Wohn- und Lebensverhältnisse des Kleinbürgertums im frühen 18. Jahrhundert dokumentiert . . . Es ist das letzte erhaltene Zeugnis aus der Phase der ersten Stadterweiterung Krefelds (ab 1691).“

Michele Visiello überlegt jetzt neu, was er tun soll. Zunächst hat er das Lokal an der Königstraße neu vermietet. Dort eröffnet voraussichtlich Ende Juli Edgar Fernbach seinen neuen Bang & Olufsen Flagshipstore.