Bundestag: Ein Uerdinger wickelt die FDP ab
Otto Fricke sieht das Ende seiner Fraktion als Chance für eine neue berufliche Zukunft.
Krefeld. Man kann sich angenehmere Jobs vorstellen als diesen: Mitarbeiter kündigen, Büros räumen, Verträge auflösen. Otto Fricke hat die undankbare Aufgabe, die FDP-Bundestagsfraktion abzuwickeln. Der scheidende Abgeordnete hat mit dem Rauswurf seiner Partei aus dem Parlament auch seinen Job verloren, den er über zehn Jahre ausgeübt hat. Als einer von drei so genannten Liquidatoren kehrt er in Berlin jetzt die Scherben zusammen.
Wie diese Aufgabe funktioniert, hat der Gesetzgeber genau festgelegt. Mindestens sechs Monate muss die Abwicklung dauern. Forderungen und Ansprüche müssen gesammelt und erfüllt, Verträge und Mitarbeiter gekündigt werden. Im besten Fall sucht man neue Jobs für die ehemaligen Kollegen. „Im Oktober hatten wir rund 60 Prozent der 120 Fraktionsmitarbeiter untergebracht. Ende November hoffe ich auf 75 Prozent“, sagt Fricke. Die Nachfrage sei groß, die anderen Parteien hätten Bedarf, aber auch Verbände und Unternehmen.
Fricke, der am 21. November 48 Jahre alt geworden ist, hakt auch im Anschluss an die Vermittlung nach, ob die ehemaligen Mitarbeiter zurechtkommen. „Das ist mir wichtig. Die können doch nichts dafür, wenn der Wähler der Ansicht ist, dass die Politiker Mist gebaut haben.“ Zu gut hat er die Bilder der ersten Tage nach der Wahl noch vor Augen, als die Kamerateams durch die Büros liefen und auf die weinenden Gesichter hielten. „Das hat mich schockiert“, sagt der christlich geprägte Politiker.
Seit 16 Jahren ist der Liberale aus Uerdingen im Kosmos Bundestag unterwegs. Zunächst in Bonn noch als Mitarbeiter der Fraktion, seit 2002 als Abgeordneter. Seine Meinung war gefragt als parlamentarischer Geschäftsführer und finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion, aber auch als Schatzmeister der Bundespartei.
Damit ist jetzt Schluss. „Nach 16 Jahren muss ich jetzt zum ersten Mal wieder einen Lebenslauf schreiben“, gibt er zu. Denn für den studierten Juristen steht fest: Diese schwierige Phase ist ja auch eine Chance. Deshalb will er nicht zurück in die Anwaltskanzlei, sondern einen beruflichen Neustart wagen.
„Ich möchte meine Kenntnisse und und Kontakte nutzen, um für eine ,Lobbygruppe’ zu arbeiten.“ Damit meinte er alles von der Diakonie bis zum BDI. Das Übergangsgeld jedenfalls will er nicht ausschöpfen. Für die Liquidation bekommt er nichts, das würde mit dem Übergangsgeld verrechnet.
Heißt das, das Kapitel Berlin ist für ihn endgültig abgeschlossen? Das nicht: „Man bleibt ja ein politischer Mensch. Mich ärgert der derzeitige Stillstand. Und bei jedem Vorschlag der Koalitionspartner in spe, der diskutiert wird, springt bei mir die Rechenmaschine des Finanzpolitikers an.“
Mit Interesse wird er Anfang Dezember nach Berlin zum Parteitag der Liberalen blicken: „Da wird die Partei wieder aufgebaut. Ich hoffe, mit Christian Lindner an der Spitze.“ Dem habe er seine Unterstützung zugesagt, so er denn wolle. Allerdings nicht mehr als Schatzmeister. „Für mich steht jetzt im Vordergrund, eine neue ökonomische Grundlage für die Familie zu schaffen“. Otto Fricke ist verheiratet und hat drei Kinder. Mittlerweile ist er für den Bundesvorstand als Beisitzer nominiert.
Seine Zukunft sieht er jedenfalls definitiv nicht in der Kommunalpolitik: „Das sind zwei verschiedene Sportarten“, meint Fricke. Zudem habe die Krefelder FDP mit Joachim C. Heitmann genau den richtigen Mann am richtigen Platz.
Zudem könnte auch der neue Schreibtisch aufgrund der Kontakte wieder in Berlin stehen. „Meine Wohnung habe ich jedenfalls noch nicht gekündigt.“