Katholische Forum „Die Themen setzt die Gesellschaft“
Das Katholische Forum für Erwachsenen- und Familienbildung hat sich in den mehr als 50 Jahren seit der Gründung mit einem Wandel der Gesellschaft ebenfalls verändern müssen. Die aktuellen Herausforderungen sind U3-Betreuung und Zuwanderung.
Krefeld. Neue Angebote entwickeln, die Kursgebühren für die Teilnehmer bezahlbar halten, Fördermittel vom Bund oder den Kommunen abfragen, um Spenden werben — in diesem Spannungsfeld bewegt sich Ruth Walter als Leiterin und Geschäftsführerin des Katholischen Forums für Erwachsenen- und Familienbildung Krefeld und Viersen. Im Interview mit der WZ berichtet die 48-jährige Diplom-Betriebswirtin darüber, wie sich die Einrichtung ständig am Puls der Zeit bewegen muss.
Wie sehen die Herausforderungen für das Forum heute im Vergleich zu den Gründungsjahren aus?
Ruth Walter: Bei uns hat sich in den mehr als 50 Jahren in Krefeld viel getan. Begonnen hat das Katholische Forum ja als Mütterschule mit Themen wie Kinderpflege, -erziehung und Hauswirtschaft. In den 60er-Jahren änderten sich die Inhalte und auch die Art zu unterrichten. Die Väter wurden nun auch eingebunden. Und man ging weg vom Frontalunterricht und arbeitete zum Beispiel mit Stuhlkreisen. Außerdem ging es mehr darum, voneinander zu lernen. Man orientierte sich nicht daran, was die Eltern womöglich für Defizite haben, sondern baute ihre Kompetenzen aus. Aber die massivsten Veränderungen haben wir in den vergangenen zehn Jahren erlebt. Bis dahin hatten sich alle Angebote an unseren Standorten abgespielt. Das wurde dann anders.
Sie haben sich zu den Menschen begeben. Wie groß ist ihr Angebot mittlerweile?
Walter: Wir haben mittlerweile 320 Außenstellen, wir sind viel in Pfarrgemeinden, Bürgerhäusern, Kindertagesstätten und Familienzentren vor Ort. Letzteres hat sich auch durch die Einführung der U-3-Betreuung ergeben. Während die Mütter, die in den 50ern unsere Mütterschulen besuchten, noch lange Zeit mit der Erziehung ihrer Kinder verbracht haben, ist das heute anders. Die Kinder gehen früher in die Kita als damals. Mit unseren Angeboten gehen wir deshalb eben viel in Kitas und Familienzentren. Wir haben uns sehr von zentral zu dezentral entwickelt.
Ist Ihr Angebots-Bereich für Eltern durch die sinkende Zahl der Geburten nicht zurückgegangen?
Ruth Walter: Einerseits hatten wir weniger Teilnehmer im Elternbereich. Aber dafür sind die Angebote für Alleinerziehende hinzugekommen, die Veranstaltungen mit Anwälten, die über Scheidungs- und Kindsrechte informieren und im nächsten Schritt dann auch die Thematik der Patchwork-Familien. Wir haben im Vergleich zu früher in diesem und in anderen Bereichen eine sehr große Vielfalt. Es sind heute viele Lebensfragen dazugekommen. Die Themen setzt die Gesellschaft, nicht wir.
Mit welchen Sinn- und Lebensfragen kommen die Menschen denn zu Ihnen?
Walter: Wir begleiten die Menschen viel bei Übergängen: von der Kindheit in den Beruf, beim Elternwerden, dann, wenn man die Kinder wieder loslassen muss, wieder als Paar allein ist und sich zurechtfinden muss, beim Abschied aus dem Erwerbsleben, beim Großelternwerden bis hin zum Alleinsein, Verwitwetsein, bei Fragen der Trauer, bei der Vorbereitung auf den Tod, bei Sinnfragen.
Nun sind Angebote wie beispielsweise für Schwangere auch bei anderen Institutionen angesiedelt. Was ist das Katholische am Forum?
Walter: Das darf man nicht missverstehen. Wir sind nicht missionarisch unterwegs, sondern sehen uns als Bildungseinrichtung des Bistums. Zu uns kommen Menschen aller Konfessionen oder gar keiner Konfessionen. Aber die Rückmeldung von Teilnehmern ist schon, dass bei uns ein anderer Geist herrscht — offen, freundlich, christlich, barmherzig.
Das bedeutet schon bei der Auswahl der Referenten, dass, wenn sich etwas über den Kursinhalt hinaus an Fragen ergibt, wenn jemand ein offenes Ohr braucht, die Kursstunde eben nicht nach 45 Minuten beendet ist. Dann bekommen diese Menschen vom Referenten das offene Ohr, das sie brauchen.
Das ist sicher auch in Ihren Angeboten im sozialen Bereich sehr wichtig, oder?
Walter: Ja, wir haben da beispielsweise die niederschwelligen Angebote für Menschen, die sonst den Weg in unser Haus nicht finden würden. Da gibt es in Kooperation mit den Städten zunehmend Angebote der frühen Hilfe für Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen. Und da kommt nun auch noch die im vergangenen Jahr begonnene Betreuung von Zugewanderten hinzu.
Die Flüchtlinge, die in der Koerver-Halle untergebracht sind, bekommen bei uns im Haus Sprachunterricht, wir haben einen Frauentreff und integrative Angebote für Kinder und Jugendliche. Für solche Angebote können wir natürlich keine Gebühren erheben. Wenn der Bund zahlt, dann nur die Referenten. Aber solche Angebote müssen auch konzipiert und koordiniert werden. Dafür bräuchte ich eigentlich eine weitere pädagogische Stelle.
Und dafür fehlt das Geld?
Walter: Früher wurden wir von Bund, Kommunen und Kirche noch zu 85 Prozent gefördert, heute nur noch zu 60 Prozent. Den Rest müssen wir eigentlich über Teilnehmergebühren einnehmen. Aber mit erhöhten Gebühren würden wir elitär. Das ist nicht der Sinn von Familienbildung. Und erst recht nicht von katholischer Familienbildung. Unser Förderverein engagiert sich sehr, kann aber auch nicht alles stemmen.