Krefeld Drei Jahre obdachlos: "Ich wünsche mir ein geregeltes Leben"
Die WZ hat mit dem 28-jährigen Carsten Lange über sein Leben auf der Straße gesprochen.
Krefeld. Sie sind dreckig, sie stinken, sie sind gefährlich, sie sind alle drogenabhängig und alkoholkrank — Vorurteile, die wohl jeder schon mal im Zusammenhang mit Obdachlosen gehört hat.
In der Krefelder Einkaufspassage sitzt ein junger Mann ruhig auf dem Boden. Er schaut entspannt auf die vorbeilaufenden Menschen, die ihn größtenteils ignorieren. Vor ihm steht ein Pappbecher, in dem von Zeit zu Zeit ein paar Münzen landen. Er stellt sich mit „Shyno“ vor. „Den Namen hat mir meine Exfreundin gegeben“, erzählt er.
Seit drei Jahren lebt der 28-Jährige auf der Straße. Vorher hatte er eine Wohnung und lebte von Hartz IV. Wegen bürokratischen Durcheinanders beim Arbeitsamt — das er sich bis heute nicht erklären kann — wurde seine Miete damals nicht mehr bezahlt und er verlor die Wohnung. Seitdem sucht er eine neue Bleibe, doch sein Äußeres schrecke potenzielle Vermieter schnell ab, glaubt Shyno. „Theoretisch könnte ich vielleicht eine Wohnung bekommen, aber ich habe kein Glück bei der Suche.“
Frust kommt bei dem 28-Jährigen deshalb nicht auf. „Ich sehe alles locker“, sagt er. Sein Leben finanziere er mit Hartz IV und dem, was ihm Passanten in seinen Pappbecher werfen. „Ich bin eigentlich relativ zufrieden.“
Unbekannt ist sein Gesicht für viele Krefelder nicht. Immer mal wieder bleiben Menschen auch stehen, wechseln ein paar nette Worte mit Shyno und geben ihm etwas zu Essen oder zu Trinken. Anfeindungen seien eher die Seltenheit, erzählt er. Nur einmal, da sei er von Kindern angespuckt worden, erinnert Shyno sich.
„Das Schlimmste ist eigentlich, wenn ich im Winter draußen pennen muss. Das ist dann schon richtig extrem.“ Häufig könne er auch in der Wohnung eines arbeitslosen Freundes unterkommen. „Das ist auch so mein einziger Freund“, verrät Shyno. Aber im Schnitt müsse er deshalb nur jede dritte Nacht draußen übernachten.
Den Kontakt zu anderen Krefelder Obdachlosen meidet Shyno. „Die schnorren aggressiv, bedrängen die Menschen und ich bin eher so der freundliche Schnorrer.“ Meistens geht er gar nicht auf die Fußgänger zu und wenn, dann mit einem netten Spruch wie: „Eine Spende für gute Laune.“ Ein Junkie oder Alkoholiker ist Shyno nach eigenen Angaben nicht. „Ich habe mal Drogen genommen und Alkohol trinke ich ab und zu, wenn ich bei meinem Kollegen bin, aber mehr nicht.“
Dass es auch anders geht, beweist ein Besuch im Bahnhof. Dort sitzen Adam, Christoph und Arthur, deren Augen am Vormittag bereits glasig ins Leere starren. Umringt sind sie von leeren Bier- und Wodkaflaschen. Beim Rauchen muss sich der Älteste von ihnen mehrfach überzeugen, dass er die Zigarette auch richtig herum im Mund hat. Ein Gespräch ist kaum möglich, nicht nur, weil die drei gebrochen Deutsch sprechen.
Shyno derweil wünscht sich für die Zukunft ein geregeltes Leben. Doch auch das Leben auf der Straße ist für ihn keine Katastrophe.