In Krefeld betreut ein Vormund vom Amt 80 Kinder – zu viele?
Der Bundestag will die Zahl der Vormundschaften auf 50 begrenzen, damit sich das Schicksal von Dennis nicht wiederholt. Die Stadt Krefeld hat reagiert.
Krefeld. Der grausame Tod des sieben Wochen alten Dennis aus Spandau und des zweijährigen Kevin aus Bremen vor wenigen Jahren hat nicht nur einen Großteil der Bevölkerung erschüttert. Auch auf politischer Ebene ist die Diskussion über die Fürsorgepflicht des Staates neu entbrannt. Der Gesetzgeber will deshalb die Situation von Kindern unter Vormundschaft verbessern. Statt bis zu 200 Mündel pro Amtsvormund, wie im Fall von Kevin, soll die Zahl demnächst auf 50 gesenkt werden. Dazu hat der Bundestag jetzt beschlossen, dass jeder Vormund ein von ihm betreutes Kind in der Regel einmal im Monat persönlich besuchen muss.
Während in den meisten Städten und Kreisen die Zahl der Mündel pro Amtsvormund zwischen 100 und 120 liegt, ist die Situation in Krefeld etwas entspannter. „Unsere vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter sind für 70 bis 80 Kinder zuständig“, sagt Gudrun Stangenberg, die stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung.
Diese Kollegen sind ausschließlich für Vormund- und Pflegschaften zuständig und müssen nicht noch zusätzlich andere Aufgaben übernehmen. Die Zahl der Fälle ist außerdem etwas zurückgegangen: Wurden im Jahr 2009 noch 468 Vormund- und Pflegschaften vom Fachbereich Jugendhilfe übernommen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 455.
Während der Gesetzgeber hofft, dass durch einen häufigeren Kontakt zwischen Vormund und Mündel Gefahren für das Kind früher erkennbar sind, bleiben Fachleute eher skeptisch. „In krisenhaften Fällen sehen die Mitarbeiter schon jetzt alle paar Tage das Mädchen oder den Jungen; wenn alles gut läuft, kommt es nur halbjährig zum Kontakt bei den gesetzlich vorgeschriebenen Hilfeplangesprächen“, beschreibt Stangenberg die Arbeitsweise.
Diese Praxis ist jedoch nicht in allen Städten so. Das zeigt ein Blick in Fachforen im Internet. Dort stöhnen Mitarbeiter der Jugendverwaltungen über den enormen zeitlichen Druck, dem sie sich in ihrem verantwortungsvollen Job ausgesetzt fühlen. Sie wünschen sich nur so viel Vormundschaften, dass sie ihren gesamten Verpflichtungen gegenüber dem Mündel gerecht werden können. Und sie kommen zu dem Schluss, dass 50 Fälle je Vollzeitkraft die absolute Obergrenze sind.
Gudrun Stangenberg will das für Krefeld nicht kommentieren. „Entscheidend ist bei dieser Diskussion ja auch die Qualität der Betreuung“, sagt sie. Da die meisten Mündel in staatlichen Einrichtungen wie Heimen oder bei Pflegeeltern untergebracht sind, sei das Risiko für die Kinder dort wegen der angemessenen Versorgung geringer als in explosiven Familienverhältnissen — ebenso wie der Arbeitsaufwand für den Vormund.
Ob der Fachbereich Jugendhilfe wegen der Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts künftig mehr Mitarbeiter in diesem Bereich einsetzen muss, kann die stellvertretende Leiterin zu dem Zeitpunkt noch nicht beantworten. „Es ist zunächst zu klären, ob diese Änderung der Besuchshäufigkeit zwingend vorgeschrieben wird oder nur eine Empfehlung ist.“
Die Stadt hat davon unabhängig jedoch längst reagiert. Seit drei Jahren geht das „Team Kindeswohl Krefeld“ Meldungen aus der Bevölkerung von möglichen Kindeswohlgefährdungen nach. Es kümmert sich um Kinder, die vernachlässigt werden, körperliche Gewalt erleben, häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, seelische Vernachlässigung erfahren, zu oft alleine gelassen werden oder gesundheitlich gefährdet sind — und zwar zeitnah.