Unfallbilanz Jeder fünfte Unfallverursacher in Krefeld flüchtet
Es kommt immer öfter vor: Schwerverletzte werden einfach auf der Straße liegengelassen. Der Rettungsdienst schlägt Alarm.
Krefeld. Eine 80-jährige Frau wird beim Überqueren der Hauptstraße von einem Auto erfasst. Der Fahrer flüchtet und lässt das schwer verletzte Opfer einfach auf der Straße liegen. Am Dießemer Bruch stoßen zwei Radfahrerinnen zusammen. Eine 67-jährige Frau stürzt und zieht sich Verletzungen an Kopf und Rücken zu. Die ebenfalls in den Unfall verwickelte Radfahrerin steht nach dem Unfall wieder auf und fährt weiter. Auch sie lässt eine Schwerverletzte einfach im Stich.
Noch dreister ist eine Radfahrerin, die auf der Hülser Straße einen Unfall verursacht, in dessen Folge eine Kradfahrerin von hinten in ein scharf bremsendes Auto kracht. Obwohl die Unfallverursacherin von einer Zeugin gesehen und verfolgt wird, hält sie nicht an, kümmert sich nicht um die weiteren Unfallbeteiligten und flüchtet.
Die Unfallbilanz der vergangenen Tage ist besorgniserregend. Seit dem 28. August verzeichnete die Polizei vier Unfälle, bei denen Menschen zum Teil schwer verletzt wurden und die Verursacher einfach flüchteten. Und doch bestätigen die jüngsten Vorfälle nur den Trend der vergangenen Jahre. Seit 2010 stieg die Zahl der Unfallfluchten von 1362 kontinuierlich auf 1700 an. Bei insgesamt 8278 in 2016 floh also jeder Fünfte nach einem Unfall, ohne sich bei der Polizei zu melden.
Polizei gibt Hinweise über Social-Media-Kanäle raus Gleichzeitig sank die Aufklärungsquote bei Unfällen mit Personenschäden seit 2010 von 80,6 Prozent auf 72,1 Prozent im vergangenen Jahr. Im gleichen Zeitraum verschlechterte sich die Quote bei der Ermittlung von geflüchteten Verursachern bei Verkehrsunfällen mit Sachschaden von 51,6 Prozent auf 45 Prozent.
Obwohl die Polizei mit neuester Technik — beispielsweise durch die Analyse von Lackspuren — versucht, den Tätern auf die Spur zu kommen, bleibt jeder vierte Unfall mit Personenschaden bei gleichzeitigem Verschwinden des Verursachers ungeklärt, bei Blechschäden sogar jeder zweite Unfall. Deshalb nutzt die Polizei auch immer öfter die Möglichkeit, Hinweise nicht nur in Form von Pressemitteilungen, sondern auch auf den eigenen Social-Media-Kanälen zu veröffentlichen, um auf der einen Seite noch mehr mögliche Zeugen zu erreichen und andererseits den Fahndungsdruck zu erhöhen. Im aktuellen Fall aus Oppum wurden unter anderem am Unfallort gefundene Fahrzeugteile einer Scheinwerferabdeckung im Netz gezeigt. Eine Ermittlungskommission wurde eingerichtet.
Die Polizei stellt klar: Unfallflucht ist kein Kavaliersdelikt. Wer sich nach einem Verkehrsunfall unerlaubt entfernt, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe belegt werden (Paragraf 142 Strafgesetzbuch). Zudem droht ein mehrmonatiges Fahrverbot oder der Führerscheinentzug. Am häufigsten taten dies 2016 bei Unfällen mit Personenschaden Männer zwischen 26 und 65 — sie stellten 80 Prozent aller Tatverdächtigen.
Gerade bei schweren Unfällen sind die ersten Minuten — inklusive der Alarmierung des Rettungsdienstes — oftmals entscheidend für den Heilungsverlauf des Unfallopfers. „Bei schwerwiegenden Verletzungen ist es immens wichtig, dass die Rettungskette so schnell wie möglich in Gang gesetzt wird. Vor allem bei Blutungen und Schädel-Hirn-Verletzungen ist eine möglichst zeitnahe chirurgische Versorgung der Patienten überlebenswichtig. Bei einer Unfallflucht bleibt es dem Zufall überlassen, wann der Patient gefunden wird und er die notwendige Hilfe bekommt“, mahnt Feuerwehrsprecher Kai Günther. Um Folgeunfällen vorzubeugen, müsse auch zunächst die Unfallstelle abgesichert werden.