Historie Als Eis und Hochwasser Uerdingen bedrohten
Uerdingen · Den letzten schweren Eisgang erleben die Krefelder im Winter 1941/42.
Schneeschmelze in Süddeutschland und der Regen der vergangenen Tage lassen Vater Rhein anschwellen. Der Strom hat sein angestammtes Flussbett längst verlassen. Wiesen und Felder entlang des Ufers sind schon überflutet, und der Pegel soll weiter steigen. Die Zeiten, in denen auch Eis während der Wintermonate auf dem Rhein trieb oder der Strom sogar zufror, sind jedoch Geschichte. Einen letzten schweren Eisgang haben die Krefelder im Winter 1941/42 erlebt, so berichtet die Stadt. Über Jahrhunderte bedrohte das Eis auf dem Fluss die Sicherheit der Uerdinger. Angestautes Wasser überflutete immer wieder die Straßen der Rheinstadt und hinterließ Zerstörung und Tod. Mit der westlichen Verlegung der Stadt Uerdingen Ende des 13. Jahrhunderts hörte die Bedrohung durch den Rhein nicht auf.
Katastrophe vom Februar 1284 richtet erheblichen Schaden an
Der Neubau der Stadt wurde erforderlich, weil das „alte“ Uerdingen durch Hochwasser zerstört worden ist. Diese 1255 mit Stadtrechten versehene Siedlung lag wohl in der Höhe Gellep auf einer Insel. Über das alte Uerdingen ist bis auf seine Existenz kaum etwas bekannt. Zum Untergang scheinen wohl diverse Hochwasser geführt zu haben. Eine Katastrophe vom Februar 1284 hat einen erheblichen Schaden verursacht. Dabei wurden unter anderem die Kirche und der Friedhof weggespült. Bereits sechs Jahre zuvor soll es ein vergleichbar schweres Hochwasser gegeben haben.
Der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg (1275-1297) veranlasste wohl, die neue Stadt an ihrer heutigen Stelle zu erbauen. Die bischöfliche Urkunde beinhaltet leider nicht das exakte Datum für den Baubeginn. Sie enthält aber einen wesentlichen Hinweis: „Da die Stadt jedoch durch den Andrang des Rheins allmälig mit dem Untergang bedroht wurde.“ Das „allmälig“ (im lateinischen Text „successive“, das bedeutet „nachrückend“) deutet auf einen Prozess hin, an dessen Ende möglicherweise das Hochwasser im Jahr 1284 stand. Der gierige „Vater Rhein“ holte sich demnach Jahr für Jahr ein Stück des Städtchens Uerdingen.
Uferschutz erweist sich in meisten Fällen als nutzlos
Obwohl das „neue“ Uerdingen an einer höheren Stelle entstand, schützte diese Lage die Stadt nicht gänzlich. Besonders gefährlich wurde es, wenn der Rhein zufror und die Eisschollen das Wasser stauten. Einen effektiven Schutz konnten die Menschen dem Fluss bei Eisgang und Hochwasser nicht entgegensetzen. Der Kölner Erzbischof und Kurfürst Friedrich von Wied (1518-1568) vereinbarte mit dem Grafen Hermann von Neuenahr-Moers 1566 einfache Schutzmaßnahmen. Solche Bemühungen von Seiten der Landesherren und der Bürger gab es in allen Jahrhunderten immer wieder. Letztlich erwies sich dieser Uferschutz in den meisten Fällen als nutzlos. Hochwasser und Eisstauungen waren mächtiger als die Technik in der frühen Neuzeit. Nach einem Eisstau 1684 sollen die Straßen der Rheinstadt mehr Kanälen geglichen haben, das Wasser stand auch in der Kirche.
Besonders schwere Eiskatastrophen erlebten die Uerdinger im 18. Jahrhundert. In einem Protokoll aus dem Jahr 1716 hieß es, dass die Stadt in Gefahr stehe, abgetrieben zu werden. Dreimal fror der Rhein im Januar und Februar 1716 zu. Am 11. Februar war die Stadt von den Wassermassen umringt. Durch eine Frostperiode sei letztlich die Vernichtung der Stadt abgewendet worden. Am 17. März 1740 notierte Claes ter Meer in sein Tagebuch: „Nachmittags bin ich mit meinem Großvater nach Bockum gegangen, um das Hochwasser zu sehen. Bereits in Bockum floss das Wasser. [...] Ich sah von weitem den Rhein stehen.“ Zwei Jahre später, am 18. Januar 1742, hielt sein Bruder Abraham fest: „Der Rhein ist hoch mit Eis zugefroren gewesen und aus diesem Grund geht das Eis zu dieser Stunde in eine große Überschwemmung über.“
Reparaturen und Wiederaufbau dauern ein Jahr lang
Überschwemmt wurde die Rheinstadt wieder 1776. Viele Menschen im Amt Uerdingen ertranken. Noch im Mai sollen Eisschollen auf dem Marktplatz gelegen haben. In Januar 1784 setzte sich der Rhein bei Uerdingen zweimal mit Eis zu, das Eis setzte sich vor der Uerdinger Burg fest. Das Geräusch des sich setzenden Eises soll man bis Bockum gehört haben. Vom Rheintor aus wurde ein Weg über den Fluss auf die andere Rheinseite angelegt. Nach fast einem Monat brach plötzlich das Eis, um sich bald wieder festzusetzen. In den ersten Stunden des 29. Februar 1784 kam die Rheinflut in die Stadt ein. Pferde und Kühe ertranken. Das Eis trieb östlich und westlich der Stadt vorüber. Hilfe konnte die Rheinstadt nicht erreichen. Nachdem das Wasser abgezogen war, dauerte es drei Tage, alle Schäden zu besichtigen und zu erfassen. Ein Jahr dauerten Reparaturen und Wiederaufbau.
Eine weitere Katastrophe sollte wenige Jahre später über die Stadt hineinbrechen. „Wir sahen noch wirklich ohnweit unter unserer Stadt den Rhein von den ungeheuren, unsern Mauern vorbei getriebenen Eisbergen abgedämmt“, schrieb Pastor H. Kauffmans. Uerdingen wurde bald überflutet. Die Kälte ließ das Wasser auf den Straßen und in den Häusern gefrieren. Die Menschen verharrten in den oberen Stockwerken. Brot und Feuerholz waren bald aufgezehrt. Die Angst war groß, dass die Häuser dem Druck nicht standhielten. Das Wasser fiel langsamer als erwartet. Der Schaden hielt sich so erst in Grenzen. Doch am 14. Februar 1799 brach das Kirchenschiff von St. Peter durch die Flutfolgen in sich zusammen.
Musikkapellen spielen,
Chöre singen
In den nächsten 200 Jahren kamen noch viele schlimme Eisgänge und Hochwasser. Wie im Winter 1824, als die Stadt vier Wochen lang von der Außenwelt abgeschnitten war. Und 1855 richtete ein Hochwasser nach einem Eisgang nochmals große Schäden an. Eis auf dem Strom wurde dann zur Sensa-
tion. Im Winter 1890/91 nahmen die Eismassen immer mehr zu. Im Januar war der Rhein dicht. Die Menschen strömten zu Tausenden auf den zugefrorenen Fluss. Musikkapellen spielten, Chöre sangen, warme und kalte Getränke wurden angeboten. 1941 und 1942 froren Rhein und Hafen so zu, dass sich Eis bei Uerdingen staute, Menschen über den zugefrorenen Fluss gingen und es Schiffe aus dem Wasser drückte. Später konnten die Krefelder nur noch Treibeis auf dem Strom sichten. Inzwischen ist der Rhein durch Zuleitungen derart aufgewärmt, dass er nicht mehr zufriert.