Protokolle Warum Pflegeberufe attraktiv sind – drei Krefelder erzählen
Sei es in Seniorenheimen, Krankenhäusern oder bei ambulanten Diensten: In allen Bereichen fehlen Pfleger. Das Personal gilt vielerorts als gestresst und überbelastet, Politiker streiten über mögliche Abhilfe. Auch in Krefelder Einrichtungen ist das Problem bekannt.
Statt zu jammern, erzählen ein Pfleger, ein Pflegedirektor eines Krankenhaues sowie ein Professor im Gesundheitswesen, warum Berufe in der Pflege attraktiv sind – und wie sie mehr junge Menschen dafür begeistern möchten.
Jörg Geurts, Pfleger- und Stationsleiter am Helios-Klinikum: „Als ich mich beworben habe, gab es auf einen Ausbildungsplatz vier bis fünf Bewerber. Ich gehöre zur Generation der Babyboomer. Da war es sowieso viel schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Ich würde den Beruf jederzeit wieder ausüben. Jeder Tag ist anders, jeder Patient individuell. Ich erlebe Menschen in einer Ausnahmesituation, gerade in der Herzchirurgie. Wenn sie gut versorgt nach Hause gehen und wir dazu einen Beitrag leisten konnten, ist das ein sehr gutes Gefühl.
Für mich ist der Beruf attraktiv, weil er sehr vielfältig ist. Man kann viele verschiedene Richtungen einschlagen – angefangen von der normalen pflegerischen Tätigkeit auf einer Station, im OP, in der Anästhesie oder im Bereich der Intensivmedizin. Ich kann Lehrer für Krankenpflege werden oder eine Leitungsfunktion übernehmen. Ich kann mittlerweile auch studieren. Ich glaube, dass diese Möglichkeiten manchmal verkannt werden.
Auch durch den Schichtdienst habe ich ganz viele Möglichkeiten. Früher fanden viele Kollegen es unattraktiv, wenn sie für Nacht- oder Spätdienste eingeteilt wurden. Mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die gerne Nachtdienste übernehmen möchte. Ich habe frei, wenn andere arbeiten müssen.
Heute arbeiten wir auf Augenhöhe mit den Medizinern. Die Zusammenarbeit war auch in den 80er Jahren sehr eng. Dennoch hat man dadurch, dass die Pflege ein Mangelberuf geworden ist, jetzt ein anderes Auftreten und erfährt einen ganz anderen Respekt. Ein junger Assistenzarzt ist immer gut beraten, sich den Rat erfahrener Pfleger einzuholen.
Ich habe das Gefühl, dass die Grundlage unserer Arbeit wissenschaftlicher geworden ist. Früher waren wir eher für die Grundpflege da, das Medizinische hat der Arzt übernommen. Die Pflege macht heute viele Dinge, die früher dem Doktor überlassen waren, etwa Blutabnahmen, Katheter legen oder Vorbereitungen für eine OP treffen.
Es gab eine Phase, in der unsere Arbeit selbstverständlich war. Einige Patienten und Angehörige waren dann sehr überrascht, wenn der Mangel spürbar wurde, weil etwa eine OP verschoben werden musste, da ein OP-Team nicht komplett war. Dadurch, dass das Thema in der letzten Zeit verstärkt in den Medien ist, habe ich das Gefühl, dass das Problem langsam in der Gesellschaft angekommen ist. Ich glaube aber, wenn man oft sehr negativ über etwas spricht, dann verankert sich das in den Köpfen. Ich hingegen erlebe viele junge Leute, die herkommen und ganz begeistert sind. Wer kann schon von sich behaupten, dass er live verfolgen konnte, wie ein krankes Herz nach der OP wieder optimal funktioniert?“
Was Alexianer gegen den Mangel tun
Udo Gretenkord, Pflegedirektor der Alexianer Krefeld: „Der große Mangel an qualifizierten Fachkräften in den Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten und Senioreneinrichtungen ist allgegenwärtig. Die jetzt bestehende Situation war schon vor 25 Jahren abzusehen. Aus Mangel an Initiative zur notwendigen Veränderung der Arbeitssituation der Pflegenden ist diese nun kaum noch abzuwenden.
Da die Berufsgruppe der Pflegenden eine unzureichende Lobby besitzt, sind alle Warnsignale der letzten Jahre verhallt, wie der Rufer in der Wüste. Angesichts des demografischen Wandels gilt es, umgehend zu handeln.
Die Gesundheitspolitiker haben die ‚Not der Pflegenden‘ endlich realisiert und entsprechend reagiert. Gesetzliche Vorgaben zur Mindestbesetzung einzelner Fachbereiche sollen sukzessive dafür sorgen, dass Pflegebereiche ausreichend besetzt sind. In einer Zeit knapper personeller Ressourcen ein eher aberwitziges Planspiel.
Auch im Alexianer Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld und Tönisvorst ist die Bewerbersituation angespannt. Als positiv stellt sich in unseren Bereichen heraus, dass wir seit über 100 Jahren in unserer Krankenpflegeschule ausbilden. Durch die Veränderung des deutschen Krankenpflegegesetzes bildet die Alexianer Akademie für Pflege ab 2020 in zwei Kursen pro Jahr – Start April und September – jeweils 60 Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner aus. Leider deckt die Zahl der Auszubildenden nicht die Bedarfslücke ab. Die Alexianer bieten in Kooperation mit der Fachhochschule für Ökonomie und Management und anderen Fachhochschulen berufsbegleitend ein pflegefachliches Studium an. Wir hoffen so, unseren Pflegenden eine zusätzliche berufliche Perspektive anbieten zu können.
Wir versuchen mit unterschiedlichsten Maßnahmen, die berufliche Attraktivität zu steigern. Da wir im Pflegedienst über einen sehr hohen Frauenanteil verfügen, bieten wir unter anderem familienfreundliche Arbeitszeiten ebenso wie einen Wiedereinstieg nach der Familienphase an.
Der Krankenpflegeberuf ist und bleibt ein Beruf mit hoher Sinnstiftung. Er ist vielseitig und bietet gute Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir bieten Schülern jederzeit die Möglichkeit, den Beruf kennenzulernen, indem wir ihnen ein Betriebspraktikum und ein freiwilliges soziales Jahr anbieten. Das ist ein möglicher Schritt, junge Menschen für einen attraktiven und vor allem zukunftssicheren Beruf zu interessieren.
Ich ziehe in jedem Fall den Hut vor den Kolleginnen und Kollegen. Trotz knapper Ressourcen gelingt es ihnen jeden Tag aufs Neue, auf hohem fachlichem Niveau und mit der notwendigen Empathie die Patienten zu versorgen.“
Was Pfleger studieren können
Professor Christian Timmreck, Dekan des Fachbereichs Gesundheitswesen der Hochschule Niederrhein: „Seit zwei Jahren gibt es an der Hochschule Niederrhein den Pflege-Studiengang mit 50 Plätzen für das duale Studium und 20 Teilzeitplätzen. Wir haben diesen Studiengang aus zwei Gründen eingerichtet.
Zum einen wird es zukünftig vermutlich wie bei Hebammen entsprechende gesetzliche Vorgaben zur Akademisierung geben. In allen EU-Ländern außer Luxemburg und Deutschland ist ein Studium für Pfleger schon Standard. Zum anderen haben heute über 50 Prozent der Schulabgänger Abitur. Da bietet sich eine akademische Berufsqualifikation an.
Zusätzlich zu den Inhalten der Ausbildung erlernen die Studierenden wissenschaftsbasierte Kompetenzen zur Versorgung der Patienten. Das Konzept der Pflege auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse nimmt hierbei einen besonderen Stellenwert ein und soll das eigenverantwortliche Arbeiten stärken. Das Berufsfeld der Pflege verändert sich im Zuge des medizinischen und technischen Fortschritts sehr schnell. Das Studium befähigt, diese Änderungen nachzuvollziehen und mitzugestalten.
Wer in der Pflege mehr erreichen will, ist mit dem Angebot gut beraten, da sich hierdurch zahlreiche Karrieremöglichkeiten ergeben. Das wird sich in den nächsten Jahren weiter entwickeln, da es aktuell die akademische Qualifikation ja noch kaum gibt. Diese Erfahrung haben wir auch bei unserem Studiengang Health-Care-Management gemacht. Als wir vor 20 Jahren gestartet sind, haben manche gefragt, wofür man das braucht. Mittlerweile haben sich aber ganz neue Berufsfelder wie beispielsweise das Medizin-Controlling herausgebildet.
In der Pflege werden sicherlich nicht alle über die akademische Laufbahn in den Beruf kommen. Das können die Hochschulen auch gar nicht leisten. Die Politik möchte auch nur 10 bis 20 Prozent akademisieren. Dennoch könnten sich Karrierestufen in Krankenhäusern verändern. Außerdem wird sich die – von einigen empfundene – Kluft zwischen Ärzten und Pflegekräften schließen, wenn beide Berufsgruppen studiert haben.
Der Pflegeberuf kann jungen Leuten mehr bieten als häufig gedacht. So wünschen sich viele Sicherheit, Abwechslung und Kontakt zu Menschen. Diese Wünsche gehen in den Pflegeberufen in jedem Fall in Erfüllung.
Das Problem ist eher, dass die junge Generation mit diesem Beruf kaum in Kontakt kommt. Früher konnten zumindest männliche Schulabgänger über den Zivildienst herangeführt werden. Diese Möglichkeit haben wir verloren.“