Mit viel Hingabe Uerdingerin hilft einer ukrainischen Großfamilie
Die Uerdingerin Marie Sasse bereitet seit Tagen die Flucht nach Krefeld vor. Für eine Mutter und zwei Kinder sucht sie kurzzeitig eine Unterkunft bei anderen hilfsbereiten Menschen.
Marie Sasse ist etwas atemlos, als sie mit uns spricht, aber man kann das durchaus verstehen: Seit einigen Tagen ist es hektisch geworden im Leben der zweifachen Mutter, deren Kinder längst erwachsen und aus dem Haus sind. Trotzdem wird es bald wieder voller werden auf den 90 Quadratmetern im Obergeschoss ihres Hauses, in dem die 95 Jahre alte Mutter das Erdgeschoss bewohnt: Die in Uerdingen wohnende Dolmetscherin organisiert seit Tagen die Ankunft einer ukrainischen Familie. Die ist vor dem Krieg des russischen Machthabers Wladimir Putin in der Ukraine aus Kiew geflohen. Und diese Familie, der Sasse voller Hilfsbereitschaft zugesagt hat – ohne sie zu kennen – wurde in den vergangenen Tagen immer größer.
„Ich schlafe schon kaum noch, hänge am Telefon und versuche, alles zu organisieren“, erzählt Marie Sasse von ihrem „ukrainischen Abenteuer“ im Umfeld dieses traurigen Krieges. Die Geschichte geht so: Sasse ist Mitglied eines Tierschutzvereins (Joshi die 2. Chance e.V.) zur Rettung von Hunden aus Tötungsstationen Südfrankreichs, dort treffen sich Menschen mit großem Herz. Und in dieser Community bekam die Uerdingerin vor Tagen die Anfrage eines kosovarischen Tierarztes, dessen Freunde in Kiew in Not geraten waren: „Marie, hast du eine Möglichkeit, eine ukrainische Familie unterzubringen?“
Marie hatte. Zumindest für die Mutter Anastasia, eine Lebensmitteltechnikerin, und ihre beiden Kinder: ein anderthalbjähriger Junge und ein neun Jahre altes Mädchen, mit denen sie nach vielen Stunden vergeblicher Versuche übers Telefon Kontakt aufnahm. Der brach dann irgendwo in Lwiw (Lemberg) an der ukrainisch-polnischen Grenze wieder tageweise ab, ehe Anastasia sich aus einem Auffanglager in Warschau erneut meldete.
„Sie ruft oft an, ist natürlich verzweifelt“, erzählt Marie Sasse, im Hintergrund schrien dann meist viele Kinder. Sasse nehme das alles sehr mit, sagt sie selbst. Vor allem auch, weil über die vergangenen Tage die Hilfe suchende Familie immer größer geworden sei. Zu der gehört nämlich nun auch noch der Vater, der wenige Stunden vor dem erlassenen Dekret der ukrainischen Regierung, Männer von 18 bis 60 Jahren dürften die Ukraine nicht mehr verlassen, über die Grenze gekommen war. Obendrein sei er ein in der Ukraine anerkannter Russe. Immerhin: mit allen Papieren – wie Anastasia mitteilte.
In einem weiteren Gespräch habe Anastasia dann auch noch gefragt, ob auch ihre Schwester und deren zwei Kinder mit nach Krefeld kommen könnten, außerdem sei jetzt auch noch die Mutter und eine ihrer Tanten in Warschau. „Ich musste erst einmal durchatmen, damit rechnet man ja nicht“, erzählt Sasse – und versucht seither atemlos alles, wirklich alles möglich zu machen.
Sie nahm Kontakt mit der Stadt Krefeld auf, die eine mittelfristige Unterbringung der Familie in einer der Geflüchteten-Einrichtungen in Aussicht stellt. Sie beschaffte einen ukrainischen Dolmetscher aus Krefeld. Und sie organisierte einen Transport von Warschau nach Krefeld: Der Kleinbus der Tierschutzorganisation wurde umgebaut und mit Kindersitzen ausgestattet, ein Fahrer reist am Sonntag von Schalksmühle aus gen Warschau, bringt noch Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze, um auf dem Rückweg die siebenköpfige Familie einzusammeln – und wohl am Dienstag oder Mittwoch zurück zu sein. Der Mutter und deren Schwester half Marie Sasse auch noch bei der kostenfreien Organisation einer Zugreise durch Polen und Deutschland. „Aufnehmen kann ich sie jedoch nicht auch noch.“
Das alles hat Kraft gekostet. Und die Aussicht auf die große Familie in einer kleinen Wohnung macht Sasse – so ehrlich ist sie – auch etwas Angst. Zumal klar sei, dass die Aufnahme durch die Stadt, bei der man „sehr geholfen“ habe, Vorlauf brauchen wird. Deswegen bittet Sasse selbst um Hilfe: Wer, fragt sie, kann eine ukrainische Mutter mit zwei Kindern (3 und 9) für zwei bis drei Tage bei sich aufnehmen, ehe die Stadt eine Unterkunft für die Geflüchteten mit einjährigem Duldungsstatus bieten kann? „Ich wäre dankbar, wenn sich jemand finden ließe“, sagt sie.
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