„Es gibt so viel mehr“ Drei Fragen an zehn Stimmen zur Krefelder Kultur

Special | Krefeld · Zwischenrufe aus der Kultur. Was zeichnet die Kultur in Krefeld aus? Was wird derzeit am meisten vermisst? Und: Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden?

Seit fast einem Jahr ist nur ein eingeschränkter Kulturbetrieb möglich. Darunter leidet auch die Veranstaltungsbranche, für deren Unterstützung „Night of Light“ initiiert wurde.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die Idee ist zusammen mit Heinrich Rungelrath vom Krefelder Kulturrat entstanden. Ein buntes Lebenszeichen Krefelder Kulturfreunde und Kulturgestalter aus verschiedener Richtung soll es sein. Mitten im Lockdown. Drei Fragen haben wir zur Kultur in der Stadt in der aktuellen Lage gestellt.

Marcel Beging

Marcel Beging ist Vorstand und Initiator des Vereins „Freischwimmer“, der sich um das alte Stadtbad kümmert.

Foto: Andreas Bischof

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Die Solidarität untereinander, den unbedingten Willen, allen Widrigkeiten zu trotzen und die unerschöpfliche Kooperationsbereitschaft. Es versammeln sich dort starke Menschen, mit höchst unterschiedlichen Qualitäten. Was alles Gutes passieren kann, sieht man, wenn Sie sich alle zusammen tun und positiv aufeinander einwirken. Für das Gesellschaftswunder, das wir jetzt brauchen, ist das eine gute Inspiration, an der Menschen hervorragend anknüpfen können. Diese Einstellung wird mehr denn je gebraucht!

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Genau diese, nur hautnah.

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Genuss und das Gefühl, wenn man nach einem tollen Erlebnis oder Diskussionen mit anderen Leuten aufgeregt wach liegt und den Tag noch verlängern möchte!

Florian Funke

Florian Funke ist Mediendesigner. Er ist engagiert im Jazzclub Krefeld und beim Labor für Stadtkultur „Wirstadt.org“.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Krefelds Kultur ist ein Flüstern, selten ein Ruf und zum Glück kein Gebrüll. Häufig unterschätzt, eher belächelt, man traut Krefeld nicht so viel zu. Es kämpft manchmal um Anerkennung. Viel Gutes passiert im Verborgenen, immer wieder überraschend. Krefeld hat noch viel vor!

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Ich vermisse Antworten. Auf die Fragen, die ich nie gestellt habe. Kultur ist der ewige Weg mit unbekanntem Ziel. Immer wieder sammle ich überraschende Erlebnisse ein, sie könnten ja mal nützlich sein. Das Ziel? Unbekannt. Erkenntnis? Nein, mehr Neugier. Doch der Weg ist still geworden. Ich bewege mich kaum. Kunst und Kultur als Angebot, das man hier (Bühne) oder dort (digital) präsentiert – oder doch viel mehr? Diese Frage mussten sich viele Kulturverantwortliche stellen, und sie haben bis heute keine befriedigende Antwort gefunden. Kultur als Ding losgelöst und unabhängig vom Medium? Ein Ideal und Trugschluss zugleich. Nichts geht über die Inszenierung im Jetzt. Jede Aufführung, jede Ausstellung, jedes Zusammenkommen wird bestimmt von der zufällig entstehenden Gemeinschaft. Ein Geschenk. Vielleicht ist es archaischer, als man denkt, selbst der gepflegte Theaterabend lebt von dem gemeinsamen Erlebnis. Nur so laden wir unsere Emotions-Akkus auf. Die Antworten auf Fragen, die ich nicht gestellt habe sind das, was mir fehlt!

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Was können wir erwarten? Was dürfen wir erwarten? Haben wir noch Zeit zu reflektieren, haben wir überhaupt Zeit? Ich bin sicher, die Krefelder Kultur wird uns Antworten liefern können, quasi von alleine, ungefragt. Auch auf eine neuartige Wirklichkeit. Und wir haben Joseph Beuys in diesem Jahr an unserer Seite! Lassen wir uns überraschen!

Heinrich Rungelrath

Heinrich Rungelrath ist Vorsitzender des Krefelder Kulturrats und der Gesellschaft der Freunde des Krefelder Theaters.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Das Faszinierende und Besondere an der Krefelder Kultur ist zum einen die Vielzahl an niveauvollen und abwechslungsreichen Kulturangeboten, die sich nicht an einen kleinen Kreis von Eingeweihten richten, sondern ein großes Publikum erreichen. Zum anderen gefällt mir die breite Mischung aus institutionellen Kultureinrichtungen und der „freien“ Kulturszene. Hier findet eine Zusammenarbeit ohne Berührungsängste statt, um die uns andere Städte beneiden. Zur Krefelder Kultur gehört auch die enge Verknüpfung mit dem Bereich des Sports. Die findet ihren Ausdruck in einer weiteren Veranstaltung zum Thema „Kultur trifft Sport“, die der Kulturrat mit dem Stadtsportbund in der Kufa plant – wenn Corona es zulässt.

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Der Lockdown hat das gesamte kulturelle Angebot drastisch minimiert, was meine Lebensqualität insgesamt sehr beeinträchtigt. Als regelmäßiger Theaterbesucher vermisse ich besonders das Live-Erlebnis der verschiedenen Veranstaltungen in unserem Theater, wozu Schauspiel, Oper, Ballett und Konzert gehören. Im Lockdown fehlt mir die verbindende und aufmunternde Kraft des Theaters.

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Ganz besonders freue ich mich darauf, Kultur wieder gemeinsam mit anderen kulturbegeisterten Menschen zu erleben, anregende Gespräche in der Pause oder nach dem Ende der Veranstaltung zu führen und über das Erlebte zu diskutieren. Als Vorsitzender der Theaterfreunde freue ich mich auch auf das Wiederaufleben der Kontakte mit den Künstlerinnen und Künstlern bei Premierenfeiern, die dem Erlebten ein besonderes Gewicht verleihen, einen schönen Abend abrunden und noch schöner machen.

Silvia Westenfelder

Silvia Westenfelder ist Schauspielerin am Kresch, Improspielerin und Theaterpädagogin. Sie singt im Schönhausen-Chor.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Was macht für Sie Krefelder Kultur aus? Es gibt so viel mehr als man denkt. Also immer dran bleiben, neugierig sein und teilnehmen!

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Als Schauspielerin das Spielen vor Publikum. Das Singen im Chor und mal in ein Museum zu gehen, um neue Eindrücke zu haben.

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Menschen treffen.

Edith Stefelmanns

Edith Stefelmanns ist Künstlerin und Vorstandsvorsitzende des Vereins Gemeinschaft Krefelder Künstler (GKK).

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Die Krefelder Kultur mit den Kunst- und Kultureinrichtungen ist vielfältig. Theater, Musik, Tanz, Museen, Galerien und die Kunstszene sind reichhaltig vertreten. Für mich ist auffallend, dass der Anteil der ehrenamtlich und sehr engagiert betriebenen Kultureinrichtungen hier groß ist. Das belebt die Szene enorm und ist wichtig für Krefeld.

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Als Künstlerin bin ich es gewohnt, still, leise und allein im Atelier zu arbeiten. In dieser Hinsicht macht mir der Lockdown nichts aus. Dass es allerdings zurzeit schwierig ist, die Ergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren ist unbestritten. Ich vermisse den persönlichen Gedankenaustausch mit Kunstinteressierten und mit meinen Kolleginnen und Kollegen.

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Kunst und Kultur sind Balsam für die Seele. Ohne Kunst und Kultur ist alles leer. Kunst und Kultur regen zu positiven Gedanken an und machen glücklich. Wenn es wieder möglich sein wird, ins Theater zu gehen, Konzerte zu hören und Ausstellungen zu besuchen wird unsere Welt wieder reicher. Und darauf freue ich mich sehr. Vor allem, das Reale zu sehen und nicht das Virtuelle.

Betti Ixkes

Betti Ixkes, Kabarett, Podio-Theater und Co., ist unter anderem künstlerische Leiterin des Comedy-Arts Festivals.

Foto: Dirk Jochmann

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Kunst und Kultur sind erst einmal „Lebensmittel“. Lebensmittelpunkt sehr vieler Krefelder ist tatsächlich die Kultur. Egal, ob Musik, Literatur, Bildende oder Darstellende Kunst, ob Veranstalter oder Ausstatter, Städtische Institution oder „Freie Kultur“ – auch in unserer Stadt gibt es jede Menge Menschen, die für und von der Kunst leben!

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Die großen Ks; Kino, Konzert, Kabarett, Kammerspiel … und dann kann man sich nicht mal von „Großer Kunst“ inspirieren lassen. Obwohl gerade dies, nämlich die Zusammenrottung zum gemeinschaftlichen Kulturgenuss, macht doch unsere Gesellschaft erst gesellschaftsfähig. Also, z.B. Konzerte in Jazzkeller oder Rampe, das „schweiß“t zusammen!

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Zum einen ist das Angebot in den Mediatheken wirklich erstklassik/g und enorm, aber es geht doch nichts über das Live-Erlebnis, schließlich besteht das Konzept „Kunst“ aus dem Zusammenspiel von Sehen, Hören und Fühlen. Und zum anderen tatsächlich auf gerade erwähntes „Kammerspiel“: „Das Wunder von der Grotenburg“, nach einem Stück von Rüdiger Höfken. In einer Produktion des Krefelder Stadttheaters, mit Michael Grosse, dem oben genannten Autoren und meiner Wenigkeit in der Fabrik Heeder.

Rolf Giesen

Rolf Giesen ist Foto-Designer, Statist am Theater Krefeld und ehemaliger Vorstand der Kulturfabrik Krefeld.

Foto: Rolf Giesen

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Die Bandbreite des kulturellen Angebotes und die Vernetzung der verschiedenen Kulturanbieter (nicht nur) über den Krefelder Kulturrat.

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Kulturelle Grundnahrungsmittel – durch Konserven nicht ersetzbar.

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Auf das gemeinsame Planen, Organisieren, Erleben und Genießen von Kulturveranstaltungen.

Stella Jabben

Stella Jabben leitet gemeinsam mit ihrem Mann Volker Schrills das Puppen-Theater „Blaues Haus“ in Krefeld-Hüls.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Kultur ist für mich vor allem eines: Begegnung. Und zwar eine, die den eigenen Horizont erweitert. Um Empathie zu stärken und Fragen aufzuwerfen. Krefelder Kultur wird für mich von ihrer Stadtgesellschaft geprägt. Und die ist bunt gemischt. Und grenzübergreifend. In der Not der Pandemie begann die freie Kulturszene sich mit den „Provinzgiganten“ zu vernetzen: Ich war verblüfft, wie viele verschiedene Kreative Krefeld hat. Und in wie vielen Nischen die normalerweise arbeiten müssen. Etliche davon sind weit über Krefelds Grenzen hinaus bekannt und tätig – wohl auch, weil ihre Wahrnehmung hier in Krefeld zum Leben nicht ausreicht.

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Alles. Naja, mir fehlt eben die Begegnung, angeregt zu werden – egal ob bei einem Theaterstück, vor einem Kunstobjekt, in einem Konzert, einer Lesung, einer Diskussion, einer Performance, einem Spaziergang im Zoo, beim Tanzen oder einfach bei einem guten Gespräch im Biergarten: sich austauschen, sich nahe kommen – frei, ohne Angst und die zur Zeit nötigen Schutzmaßnahmen.

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Als erstes, wieder angstfrei mit dem Publikum spielen zu können. Nicht mehr in die Leere hinein arbeiten zu müssen, weil eine Vorstellung oder gar Premiere auch sicher stattfinden kann. Als zweites natürlich auf alles, was ich oben genannt vermisse.

Monika Vehreschild

Monika Vehreschild ist Vorstand des Werkhauses Krefeld zu dem auch der Südbahnhof an der Saumstraße gehört.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Vielfalt macht bunt, so hieß einmal eine unserer Aktionen mit Kindern und Jugendlichen und so kann auch die Kulturszene in Krefeld betrachtet werden. Sie ist vielfältig und bietet facettenreich eine Vielzahl passiver und aktiver Nutzungs- und Teilhabemöglichkeiten. Außerdem agieren hier in unserer Stadt eine Menge kreativer Menschen, die das Leben bunter und liebenswerter machen.

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Natürlich vermisse ich unsere Veranstaltungen mit Publikum im Werkhaus und im Südbahnhof, z.B. das Lachen der Leute bei Kabarett-Auftritten. Auch die Aktionsmöglichkeiten für junge Leute fehlen und der Kursbetrieb liegt ebenso darnieder. Ich habe viele Veranstaltungsorte in Krefeld besucht und konnte nicht an jeder der vielen offenen Kulturveranstaltungen teilnehmen, aber jetzt immer nur an digitalen Produktionen teilzunehmen und keine Leute mehr zu treffen, das deprimiert mich.

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Ich freue mich, wenn in unseren Häusern wieder Betrieb ist, wenn die Vorentscheidungsrunden zum „Schwarzen Schaf“ stattfinden, wenn wieder experimentelle Aktivitäten durchgeführt, Ausstellungen und Bühnenveranstaltungen in der ganzen Stadt gezeigt werden können. Wenn auf Plätzen wieder getanzt werden kann und man wieder Leute treffen kann, z.B. beim Folklorefest. Gemeinsam feiern gehört ja auch zum kulturellen und sozialem Gut.

Peter Lengwenings

Peter Lengwenings engagiert sich unter anderem bei der Agentur Krähennest. Er ist Vorstand im Förderverein der Mediothek.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Was macht für Sie die Krefelder Kultur aus? Es ist die bunte und lebendige Vielfalt, die das Kulturangebot in unserer Stadt auszeichnet. Damit wird die Lebensqualität und das gesellschaftliche Miteinander sehr geprägt. In allen kulturellen Bereichen finden wir namhafte und bekannte Institutionen – aber auch kleinere und vielleicht nicht so bekannte Angebote. In dieser Kulturszene gibt es immer was zu entdecken, ob im Stadttheater, in der Musikschule oder auf anderen Bühnen wie etwa in der Kufa, im Kresch-Theater, im Theater hinten links, im Jazzkeller oder auf der Kulturrampe am Großmarkt – nicht zu vergessen die Yayla-Arena und das Seidenweberhaus. Highlights findet man im musealen Angebot – beispielhaft unsere Krefelder Kunstmuseen und das Textilmuseum. Dazu gesellen sich unzählige Galerien und anspruchsvolle literarische Angebote.

Was vermissen Sie im Lockdown am meisten? Richard von Weizsäcker hat es einmal, wie ich finde, wunderbar bildhaft beschrieben: „Unsere Kultur ist gewachsen wie ein kräftiger und vielgestalteter Mischwald. Er leistet seinen Beitrag zur lebensnotwendigen Frischluft.“ Im Lockdown erleben wir grade, wie die Luftzufuhr jäh unterbrochen wird. Kultur hat viel mit emotionaler Wahrnehmung zu tun. Die Interaktion fehlt natürlich. Wie schön ist es doch, sich mit anderen über Erlebtes zu verständigen. Dieser Inspiration wird aktuell die Luft zum Atmen genommen. Mir persönlich fehlen insbesondere Theaterstücke, Live-Konzerte und bei uns im Förderverein der Mediothek unsere Lesungen.

Worauf freuen Sie sich, wenn Kulturveranstaltungen wieder möglich werden? Ich freue mich auf wieder leibhaftig erlebbare Kultur – auf rockige Live-Auftritte, auf fesselndes Schauspiel, auf hörsinnige Lesungen und Augenweiden mitunter beim A-Gang. Dass man wieder spontan etwas unternehmen kann und dabei Freunde und Bekannte wiedertrifft. Und hinterher zum Klönen beim leckeren Bierchen einkehren kann – schließlich gehört die Braukultur auch zur Artenvielfalt eines Mischwaldes.