Kunstkritiker zeichnen Krefelder Kunstmuseen aus „Museum des Jahres“: Krefeld als Mittelpunkt der Kunstwelt
Krefeld · Die Kunstmuseen Krefeld feierten die Auszeichnung – in der Laudatio kam Kritik am Namen des Kaiser-Wilhelm-Museums auf.
Nun ist es offiziell, die Kunstmuseen Krefeld sind „Museum des Jahres“. Für das Jahr 2022 ausgewählt von einer Jury der deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung der Kunstkritiker (AICA). Bei einem von vielen Menschen auf dem Joseph-Beuys-Platz, dem Vorplatz des Kaiser-Wilhelm-Museums, verfolgten Festakt und durch ein buntes kostenloses Programm über den ganzen Sonntag verteilt, feierten die Museen diese Auszeichnung. Vor dem Museum bei sonnigem Spätsommerwetter, das doch eher an Hochsommer erinnerte, gemeinsam mit der Stadtbevölkerung sowie lokaler als auch überregionaler politischen wie kulturellen Prominenz wurde extensiv über die Museums- und Kunstwelt geehrt und über sie geredet. Der Preis, der den Kunstmuseen mit ihren drei Häusern KWM, Haus Esters und Lange sowohl wegen ihrer „DNA“, ihrer Genese und Geschichte als auch ihrer aktuellen Ausrichtung und programmatischen Gestaltung im Umgang damit zugesprochen wurde, hat einen beachtlichen Klang, sorgt für eine noch breitere Wahrnehmung der Arbeit des städtischen Museums.
Ministerin Ina Brandes lobt das breite Profil der Kunstmuseen
So beehrte die Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Ina Brandes, die Festivität und betonte in ihrem spontan wirkenden Grußwort nicht nur die Diversifizierung der Aufgaben der Museen, sondern auch, dass sie sogar eine gewisse besondere Verbindung zu diesem speziellen Preis habe. Denn als sie Ende März dieses Jahres gemeinsam mit Museumsdirektorin Katia Baudin und einer Delegation von Museumsleitern in New York weilte, um sich mit Fragen des Verhältnisses von Museen zu ihrem Publikum zu befassen, wurde just die Auszeichnung für die Kunstmuseen bekannt; man war überrascht – und man konnte zusammen feiern. Die Auszeichnung, so erklärte die Ministerin in ihrer Ansprache, komme bereits zum zehnten Mal nach NRW.
Auch Oberbürgermeister und Kulturdezernent Frank Meyer betonte die Bedeutung des Preises für die Kunstmuseen und die gesamte Stadt und gratulierte. „Wir sind jetzt Museum des Jahres“, erklärte er launig und zog Parallelen zur Fußball-WM 2014. Es gehe auch darum, sich immer wieder dessen bewusst zu werden, was man an den Kunstmuseen habe – denn an diesem Tag sei ein solcher Tag, an dem den Krefeldern auch von außen gespiegelt werde, welche großartigen Dinge in der Stadt passierten.
Er und auch alle weiteren Redner des Tages sowie auch Museumsdirektorin Baudin waren sich einig, dass das Erbe eines Bürgermuseums, dessen Wandlung und vielseitige Sammlung sowie dessen heutige vieldimensionale Einbindung in und mit der Stadt und Bevölkerung essenzielle Faktoren für den Erfolg seien. Von der Arbeit mit ukrainischen Geflüchteten bis hin zu deutschlandweit gelobten Ausstellungen wie etwa beispielsweise die im Beuys-Jahr.
Die ehemalige Leiterin der AICA und Laudatorin Danièle Perrier fand viel Lob für die Geschichte als auch Gegenwart der Kunstmuseen. Doch die von ihr überreichten Blumen hatten – um es sinnbildlich zu formulieren – auch einige Stacheln. Jene piksten sichtlich einige der Anwesenden deutlich. Denn: Eindringlich appellierte sie an die Verantwortlichen der Stadt, den aus ihrer Sicht aus historischen Gründen unpassenden Namen des Kaiser-Wilhelm-Museums zu ändern. Dies könne doch, so ihr Vorschlag, analog zur Namensfindung des Museums-Cafés K+, das durch Vorschläge der Bevölkerung geschah, in einem ähnlichen Verfahren stattfinden.
Nicht bedacht zu haben schien Perrier, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zu den zentralen Pfeilern der Museumsarbeit am KWM gehört und auf ganz vielfältige Art gepflegt wird – etwas, was die AICA doch just an der Museums-„DNA“, wie Museumsdirektorin Baudin es selbst immer wieder formuliert, hervorhebt. Das Thema Museums-Name wurde übrigens immer wieder in Krefeld diskutiert und auch lokalpolitisch abgewogen – die WZ berichtete. Zuletzt äußerte sich dazu auch Katia Baudin in einem Interview mit unserer Zeitung und sprach sich aus Geschichtsbewusstsein für einen Namenserhalt, indes mit einem bewussten Umgang und Kontextualisierung aus, was durch eine entsprechende Info-Tafel ohnehin geplant sei.
Kunst, so wie unsere Zivilisation sie versteht, funktioniert nur, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt, über sie redet, sie wahrnimmt. Kunstkritiker, jene Menschen, die das Reden über Kunst hauptberuflich machen, sind mit ihrer Reflexion, ihren Diskursen über Kunst, die idealerweise in die Gesamtgesellschaft wirken und Impulse aus ihr aufgreifen, ein wichtiger Bestandteil dieses „Systems“, das aber nicht lediglich um sich selbst zu kreisen hat. Und ihr Verband, die Internationale Vereinigung der Kunstkritiker (AICA), die 1951 von der UNESCO als NGO anerkannt wurde, spiegelt diese Arbeit, möchte aber auch die Bedeutung der Kunstkritik für gesamtgesellschaftliche Diskurse stets akzentuieren. Kolja Reichert, neuer Präsident der AICA Deutschland, lieferte in seiner gekonnt zwischen kunstphilosophischen Implikationen und gesellschaftlichem Appell changierenden Rede, starke Impulse für diese Aufgabe, der man sich als Vereinigung stelle.
Für einen Moment – übrigens sehr passend umrahmt mit Musik durch das Ensemble Crush – verwoben sich viele Fäden der Kunstwelt auf dem Krefelder Museumsvorplatz. Ja, Krefeld wurde zum Mittelpunkt jener Sphären. Neben den Kunstmuseen erhielten zudem als „Ausstellung des Jahres“ Atis Rezistans (Port-au-Prince/Haiti) für ihre Arbeit „Ghetto Biennale“ in Kassel, die während der jüngsten Documenta zu sehen war, einen Preis, sowie als „Besondere Ausstellung“ „Another World“ von Christopher Kulendran Thomas in Zusammenarbeit mit Annika Kuhlmann (KW Institute for Contemporary Art, Berlin). Die Anwesenheit der Akteure in Krefeld verlieh diesem Festakt zudem eine noch weiter über die Grenzen der Region hinaus bedeutsame Relevanz.