Handball-EM: Krefelder Bastian Roscheck sorgt für Diskussionsstoff

Kurz vor der Handball-EM, die am Freitag in Kroatien startet, überrascht Bastian Roscheck alle — und hat einen bekannten Europameister von 2016 überholt.

Bastian Roscheck (im Bild) verdrängte Finn Lemke aus dem Kader.

Foto: Sebastian Gollnow

Krefeld. Er ist Senkrechtsrater. Und er kommt aus Krefeld: Bastian Roscheck sorgt in diesen Tagen in der Deutschen Handball Nationalmannschaft für allerhand Gesprächsstoff. Vor allem, weil der wenig bekannte Kreisläufer im EM-Aufgebot für Kroatien eine bekannte Größe verdrängt hat: Finn Lemke (MT Melsungen); Europameister von 2016, bleibt zuhause. Roscheck ist dabei. Nicht jeder in der Handball-Welt kann den Schachzug von Bundestrainer Christian Prokop verstehen.

Mit fast 27 Jahren ist der Bundesligaprofi eher Spätstarter, hat gerade zwei Länderspiele auf dem Buckel. Prokop, der vier Jahre Roschecks Vereinstrainer in Leipzig war, will trotzdem, dass der dabei ist, wenn am Samstag um 17.15 Uhr das Kapitel EM-Titelverteidigung in Zagreb gegen Montenegro beginnt.

„Mein Leben hat sich in den letzten vier Wochen rasant beschleunigt. Über die Nominierung in den vorläufigen 28er Kader habe ich mich schon sehr gefreut. Aber nun bei der EM dabei zu sein, das ist schon sehr überraschend. Bei mir ging halt jetzt alles Hals über Kopf.“

Roscheck weiß, dass Lemke beim Titelgewinn vor zwei Jahren noch zu den Stützen zählte. Ihn ficht das aber nicht an: „Entscheidungen des Bundestrainers will und habe ich nicht zu kommentieren. Für Finn ist das natürlich bitter, doch das Niveau innerhalb der Mannschaft ist so hoch, da musste es schmerzhafte Entscheidungen geben.“ Prokop sagt über Roscheck: „Bastian hat in den vergangenen vier Jahren eine enorme Entwicklung genommen. Was seine Abwehrquote angeht, zählt er zu den stärksten Verteidigern der Bundesliga“ Prokop hofft, seine Handschrift aus Leipzig auch bei der Nationalmannschaft einbringen zu können.

Nun übernimmt Roscheck womöglich wichtige Teile der Abwehrarbeit, je nach Taktik. „Ich bin natürlich ein ganz anderer Spielertyp, wie viele Abwehrspieler in der Liga, bin nicht der Blockspieler, sondern lebe von meinem guten taktischen Verständnis und meiner Schnelligkeit.“ Die imponiert auch Harry Hecker, dem Vorsitzenden des Heimatvereins TV Oppum und Bruder des ehemaligen Nationaltorhüters Stefan Hecker. „Ich habe den Bastian in der C und B-Jugend trainiert, danach seinen Werdegang verfolgt. Er antizipiert bei jedem Gegner, sieht also genau voraus, ob und wann er aus der Deckung herauskommen muss oder nicht. Einfach ganz stark.“

Vor gut zehn Jahren fasste Roscheck beim TV Oppum, dem Krefelder Handball-Traditionsklub, den Entschluss, Profi zu werden. Wenn seine Mitspieler schon unter der Dusche standen, legte der Niederrhein-Auswahlspieler nach: Liegestütze, Ballfertigkeit trainieren, Sprints trainieren. Fast zwangsläufig wechselte Roscheck nach Düsseldorf, zur damaligen HSG in die A-Jugend, wurde dort 2010 mit dem heutigen Nationalmannschafts-Goalgetter Julius Kühn Deutscher Meister. Über den damaligen Drittligisten OSC Rheinhausen folgte Roscheck dann dem Ruf von Prokop, der nach misslungener Mission bei TuSEM Essen, den Zweitligisten SC DHfK Leipzig übernommen hatte. Trotz Bundesligaaufstieg eine schwere Zeit für den Wahl-Leipziger, denn zwei schwere Schulterverletzungen hätten die Profi Karriere fast ausgebremst. „Ich habe alle Höhen und Tiefen schon hinter mir, jetzt nehme ich mit, was ich kriegen kann“.

Nicht zur Frau bekommen hat Roscheck erst einmal seine Krefelder Freundin Linda Winitzki. Die für den 5. Januar in der Heimatstadt angesetzte standesamtliche Trauung wurde wegen des ersten Länderspiels in Stuttgart auf den Sommer vertagt. Auch das hat einen Grund, denn im April erwartet das Paar erstmals Nachwuchs: „Linda unterstützt mich schon seit vielen Jahren. Den Termin zu verlegen, war kein Problem.“