Münzen, Helme, tote Pferde: Krefeld sortiert Relikte der Römer
Die Römer nannten den kleinen Ort Gelduba und bauten ein Kastell für ihre Soldaten. Das Lager lag strategisch günstig am Rhein. Bei einer großen Grabung in Krefeld sind beachtliche 75 Kubikmeter Funde zusammengekommen.
Krefeld. „Es braucht Jahre, bis wir das bearbeitet haben“, sagt Archäologin Jennifer Morscheiser, und ein wenig Stolz klingt dabei mit. „Das“ ist das stattliche Ergebnis einer Grabung in Krefeld. Zehntausende Fundstücke buddelten die Helfer in der Nähe des Rheins aus Sand und Lehm. In Kisten verpackt sind es 75 Kubikmeter: Hunderte Münzen aus der Römerzeit, Waffen, Amphoren, Pferdeskelette, Schmuck, Helme, die kunstvoll verzierte Gürtelschließe eines Soldaten.
Inzwischen sind in Krefeld fast 6500 Gräber samt der oft wertvollen Beigaben aus der Zeit zwischen 800 vor und 800 nach Christus erfasst. Es ist eines der größten antiken Gräberfelder nördlich der Alpen. Bei der jüngsten Grabung wurden weitere entdeckt.
Die Ausbeute der Archäologen weist in die römische Geschichte. Auf halbem Weg zwischen Neuss und Xanten richteten die Römer nach 69 ein Militärlager im heutigen Krefeld ein. Direkt am Rhein und damit am Limes, der Grenze des Römischen Imperiums, lag der Ort strategisch günstig auf einer kleinen Anhöhe. Am gegenüberliegenden Ufer endete der Hellweg, der wichtige Handelsweg nach Germanien. Die Römer nannten den Ort Gelduba. Heute heißt der Ortsteil Gellep.
Es ist der berühmte Historiker Tacitus, der als erster Gelduba erwähnt, als Schauplatz einer Massenschlacht zwischen Römern und Batavern im Jahr 69. Ein Jahr zuvor hatte Kaiser Nero sich umgebracht, das römische Reich versank im Chaos. Das Machtvakuum nutzte weitab am Rhein der germanische Bataverfürst Iulius Civilis zu einem Aufstand. In Gelduba kämpften etwa 20.000 Mann - Römer und Bataver.
„Die Folge war keine Schlacht, sondern ein Schlachten“, beschrieb Tacitus. Davon zeugt auch die enorme Anzahl von über 300 Pferdeskeletten, die Archäologen geborgen haben, und die im Krefelder Museum Burg Linn aufbewahrt werden.
Man mag sich davor gruseln, doch diese Relikte der Schlacht sind etwas Besonderes: „Das ist hier einer der ganz seltenen Fälle, wo Archäologie und historische Quellen in Deckung sind“, berichtet Stadt-Archäologe Hans-Peter Schletter. Nach dem blutigen Gemetzel baute das römische Militär ein Kastell. Die Soldaten blieben bis Anfang des 5. Jahrhunderts. Nachgewiesen ist, dass Hilfstruppen aus Spanien kamen, Wein aus ihrer Heimat tranken und schon kurz nach der Ankunft ein beheiztes Schwimmbad bauten.
Bei der jüngsten Grabung hatten 30 Fachleute, Studenten und Helfer zehn Monate lang Zeit. Bis Ende Februar 2018 durchkämmten sie 37.000 Quadratmeter Gewerbefläche. Von Oktober 2019 an sollen die Highlights ausgestellt werden. Dazu gehören Helme römischer Soldaten, eisenzeitlichen Urnen, eine römische Bronzewerkstatt oder auch die Rekonstruktion eines großen Töpferofens.
Mit der Ausstellung rückt ein anderes, großes Projekt über die Römerzeit am Niederrhein näher. Denn die einstige Grenze des Imperiums dort soll in die Unesco-Welterbe-Liste aufgenommen werden. Es geht um den Niedergermanischen Limes, der dem damaligen Rheinverlauf entspricht. Der Abschnitt verlief auf einer Länge von etwa 400 Kilometer von Bad Breisig südlich von Bonn bis zum Seebad Katwijk in den Niederlanden - und Gelduba mittendrin. „Es ist der nasse Limes“, sagt Jennifer Morscheiser, die Leiterin des Museums Burg Linn. Koordiniert wird das Vorhaben von den Niederlanden. Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz machen mit.