Planung Neues Bauordnungsrecht torpediert den Denkmalschutz in Krefeld

Krefeld · Interview Seit Januar müssen Abbrüche von Häusern nicht mehr der Stadt angezeigt und genehmigt werden. Was das bedeutet, erklärt Udo Rodig von der Bauaufsicht.

Udo Rodig informiert über die geänderte Baulandesordnung.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Das Bootshaus im Stadtwald wäre abgerissen worden, wenn Gerda Schnell (SPD) im Denkmalausschuss nicht unter Eingängen diese Mitteilung der Bauverwaltung gehört hätte. Das baufällige Fachwerkhaus steht zwar nicht unter Denkmalschutz, bildet aber zusammen mit dem Deuß-Tempel, dem Stadtwaldhaus und der Rennbahn ein besonderes Ensemble. Gemeinsam mit dem Architekten Klaus Reymann hat Gerda Schnell Geld gesammelt und viel Unterstützung erhalten. Vor zwei Jahren ist das Bootshaus saniert wieder in Betrieb gegangen. Seit dem 1. Januar gilt eine neue Landesbauordnung. Das torpediert in den Augen der politischen Vertreter im Rat den Denkmalschutz. Was das in der Praxis bedeutet, erklärt Udo Rodig, Leiter der Krefelder Bauaufsicht.

Was hat sich geändert?

Udo Rodig: In der alten Bauordnung war in Paragraph 65 und 66 geregelt, was neuerdings in Paragraph 62 zusammengefasst ist. Allein auf drei DIN A4-Seiten ist in Absatz 3 des Paragraphen aufgelistet, was bei der Bauordnung alles nicht mehr genehmigungsfähig noch anzeigepflichtig ist. Dementsprechend können wir in den Fachausschüssen auch nicht mehr darüber berichten.

Was zählt alles unter die Genehmigungsfreiheit?

Rodig: Beispielsweise Garagen bis 30 Quadratmeter, Gebäude bis zu 75 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt ohne Aufenthaltsräume, Denkmäler sowie – und das ist von Bedeutung – freistehende Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3.

Was beinhalten die Gebäudeklassen per Definition?

Rodig: Früher haben wir zwischen geringer Gebäudehöhe bis sieben Meter, mittlerer Höhe von 7 bis 21,99 Meter und Hochhäusern ab 22 Meter unterschieden. Nun gibt es insgesamt fünf Gebäudeklassen. Die ersten drei beziehen sich auf freistehende, nicht freistehende und beliebige Bauweise, die jeweils nicht höher als sieben Meter ist. Die Anzahl der Wohneinheiten reicht von zwei bis beliebig ebenso wie die Größe, die bei den Klassen 1 und 2 nicht mehr als 400 Quadratmeter und die Klasse 3 mit beliebiger Größe.

Wird das Baurecht damit ein Stück ausgehebelt?

Rodig: Das Baurecht ist weiter zu beachten. Der Gesetzgeber hat aber die Verantwortung vollständig auf den Bauherren/Architekten und Unternehmer übertragen. Die müssen jetzt selber beibringen, was vorher die Bauverwaltung geleistet hat.

Birgt das denn nicht Gefahren?

Rodig: Ja, in mehrerer Hinsicht. Der Architekt muss jetzt alles baurechtlich Nötige selber übernehmen, einschließlich der Verantwortung für Denkmäler oder denkmalswerte Gebäude. Wir appellieren deshalb in erster Linie an die Architekten, von sich aus bei Fragen oder Unklarheiten auf die Stadt zuzugehen. Gleichzeitig wollen wir diese Gruppe beispielsweise über einen Flyer informieren, wie sie mit Umbrüchen umzugehen hat. Damit hoffen wir zu verhindern, dass denkmalwürdige freistehende Gebäude oder Sonstiges beseitigt werden, ohne dass die Fachbehörden eine Möglichkeit haben, bei Bedenken einzugreifen.

Wieso hat das Land die Landesbauordnung überhaupt geändert?

Rodig: Die Bauaufsichtsbehörden sollten entlastet werden, damit sie sich auf Wichtiges konzentrieren können. Das ist aber ein Trugschluss, vor allem, weil Abbrüche/Abrisse in die Neufassung mit eingeflossen sind.

Gibt es für die Kommune eine Möglichkeit gegenzusteuern?

Rodig: Die SPD hatte die Idee, unterstützt von der CDU, per Antrag eine entsprechende Satzung von der Verwaltung erstellen zu lassen. Die Idee war gut gemeint. Das geltende Recht für die Kommunen gibt eine solche Satzung aber nicht her, weil das Land ja gerade will, dass die in Paragraph 62, Absatz 3, Satz 1 benannten baulichen Anlagen freizustellen sind. Somit hat die Kommune keine Möglichkeit, an diesem Punkt nachzusteuern.

Die neue Verordnung fordert außerdem die Stadt, bei Bauanträgen schneller zu reagieren als in der Vergangenheit. Was bedeutet das für Ihren Bereich?

Rodig: Kein Antrag darf mehr auf Grund von Unvollständigkeit oder Mängeln zurückgewiesen werden. Zuvor war das gebührenpflichtig möglich. Der Antrag wurde erst nach erneutem Eingang inhaltlich im Detail geprüft. Neuerdings muss der Antrag innerhalb von 14 Tagen nach dem Bau- und Planungsrecht sowie nach der Bauprüfungsverordnung geprüft werden. Innerhalb dieser zwei Wochen bekommen die Antragssteller eine Mitteilung darüber, was gegebenenfalls noch ergänzt oder überarbeitet werden muss.

Hat die Verwaltung denn die personellen Voraussetzungen dafür?

Rodig: Die Neuregelung des Paragraphen 62 Absatz 3 (Beseitigung von Anlagen/Abbrüche) in Verbindung mit dem Paragraph 71 (Behandlung des Bauantrags) der aktuellen Landesbauordnung erfordert eine Anpassung der organisatorischen Struktur innerhalb der Verwaltung und eine Aufstockung der Stellen.

Ist das Ihre künftige Hauptaufgabe der Bauaufsicht?

Rodig: In erster Linie sind wir für die Gefahrenabwehr da. Paragraph 3, Absatz 1 verlangt, dass Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Beispielsweise, dass Rettungswege in Kinos, Hotels oder großen Wohnanlagen sicher sind. In Zusammenarbeit mit der Krefelder Feuerwehr prüfen wir wiederkehrend, ob Notstromaggregate, Rauchklappen und Feuerlöscher funktionieren. Viele monieren in Deutschland die zahlreichen Vorschriften. Doch die sind sinnvoll, damit Brand-Katastrophen wie die in einem Londoner Hochhaus im Jahr 2017 beispielsweise nicht geschehen. Dementsprechend prüfen wir auch sehr genau eingehende Bauanträge für größere Bauvorhaben. Dafür gibt es uns ja.