Offenherzig plaudern Lienenkämper und Wiesinger

Bei „Zug um Zug“ im Nordbahnhof kitzeln Otto Fricke und Michael Heussen ihren Gästen Interessantes aus der Nase.

Foto: Marc Mocnik

Wenn Viktor Furth die rote Bahn-Mütze aufsetzt, in die Pfeife zur Abfahrt bläst, dann heißt es „Zug um Zug“ im Nordbahnhof. Viele „illustre Gäste“ im Saal wollen erleben, wie sich Persönlichkeiten mit Bezug zu Krefeld von Otto Fricke, dem soeben wieder in den Bundestag eingezogenen FDP-Politiker, und dem WDR-Journalisten Michael Heussen zu Leben und Tun befragen lassen. Der erste ist an diesem Abend Christian Becker.

Der 1972 geborene Horkesgath-Abiturient und Film-Produzent hat für RTL die Winnetou-Storys neu aufbereitet, „mit mehr Frauen, die auch länger leben“. Er ließ sie im „Karl-May-Land“ Kroatien drehen. Für Benjamin Blümchen hat er aber auch schon Szenen im Bockumer Rathaus aufnehmen lassen. Alte Stoffe will er mit seiner Firma „Rat Pack Filmproduktion“ neu gestalten, als Produzent sei er einem Bauherrn vergleichbar.

Michael Wiesinger, KFC-Trainer

Dass man nicht jeden im Vorbeigehen schlagen kann, weiß der in Bayern geborene Michael Wiesinger (44), der in einem betont köpernahen Outfit erscheint. Er trainiert den KFC Uerdingen seit Juni. Als brutal empfindet er die 4. Liga und will schnell aufsteigen. „Ich habe nicht gewusst, dass es in Krefeld so schöne Biergärten gibt“, sagt der bisherige „Fußball-Nomade“ und Vater von drei Kindern, die ihn glücklich machen. „Mehr Gier und Leidenschaft“ wünscht er sich von jungen Spielern, das kann er aus seiner Erfahrung als Bundesliga-Profi sagen.

Mit Lutz Lienenkämper steht ein hochrangiger Landespolitiker am eckigen Stehtisch und sagt, dass er in Strümp rechnen lernte. Der NRW-Finanzminister will „50 charmante Arten Nein zu sagen“ lernen, stellt die Online-Steuer-Erklärung in Aussicht, kauft weiter Steuer-CDs, um den Haushalt zu konsolidieren und zu investieren. Wegen des Nachholbedarfs am Niederrhein will der Schalke-Fan, der in Krefeld Tischtennis spielte, die „interkommunale Zusammenarbeit“ stärken.

Als Präsident der Krefelder Prinzengarde stellt sich Christian Cosman (geb. 1977) zusammen mit seiner Frau Tania (1972) vor. Der Hotelfachmann hat im Krefelder Hof gelernt, ist nun Chef im Aachener Mercure, dominiert den Saal-Karneval während Tania Cosmann, deren Eltern schon Karnevalsprinzenpaar waren, eher den Straßenkarneval liebt und nicht vergessen lassen will, dass es neben Uniformen auch Pappnasen gibt. Sie ist selbstständige Werberin — „Wolff Kommunikation“ —, macht auch Marketing für den Krefelder Rennclub und beide wünschen sich von den Krefeldern mehr Selbstbewusstsein und privates finanzielles Engagement.

Sie sei „ein Juwel mit messerscharfem Verstand“ lobt Warren Buffett die Krefelderin Zygora Kupferberg, die einst die Marianne-Rhodius-Schule besuchte, früh im elterlichen Raumausstatterbetrieb mitarbeitete und sich als Unternehmensberaterin selbstständig machte. Sie animierte den amerikanischen Investor zum Engagement in Deutschland, schildert ihn als „bodenständige Type“ mit „mittelständischer Denke“, der sich langfristig bindet.

Nach der Vertreterin des Kapitals erzählte der Gewerkschaftler Ralf Köpke, dass er mit 56 noch Fußball spielt. In Kapellen geboren, war für ihn als Kind der Besuch in der „Großstadt Krefeld schon immer ein Highlight“. Der Bergmanns-Sohn studierte Sozial- und Erziehungswissenschaften, war nie in einer Partei und arbeitet — nebenher auch ehrenamtlich als DGB-Vorsitzender — für die IG Metall. „Neue Beschäftigungsformen“ erwartet er in Zukunft, dass Arbeitnehmer die Autonomie über ihre Zeit bekommen. Dass 23 Prozent der Krefelder Kinder von Sozialhilfe leben, empfindet der Fortuna-Düsseldorf-Fan als Skandal.

Moderator Otto Fricke wollte am Ende nichts über die Berliner Koalitionsverhandlungen sagen, da ist er im nächsten Jahr sicher „am Zug“. Dafür nannte in der Pause Viktor Furth die erzielte Spendensumme: 2500 Euro sind an Eintrittsgeld zusammengekommen, die an die Krefelder Tafel und an die Bahnhofsmission überwiesen werden.