Zoo Hujan hat neue Familie gefunden

Krefeld · In seinem neuen Zuhause in England hat der von Tierpflegerin Eva Ravagni per Hand aufgezogene Orang-Utan sich sofort mit Weibchen Lucky blendend verstanden.

Hujan mit James Edwards beim Kennenlernen. Die blaue Strickmütze muss sich der Tierpfleger von seiner Mutter noch mal machen lassen. Hujan fand sie so toll, dass sie danach eine neue Form hatte. Überhaupt spielt Hujan gern. Auf der Fahrt nach England machte er ganz entspannt aus Papier Konfetti.

Foto: Magnus Neuhaus

Wie eine Szene aus einem Liebesfilm, bei dem es ein vorsichtiges Annähern im Kino gibt, muss man es sich vorstellen. Dann, wenn er ihr nach einem kurzen Strecken ganz vorsichtig den Arm um die Schultern legt. So sah die Annäherung zweier eigentlich Fremder aus.

Eva Ravagni strahlt über das ganze Gesicht, wenn sie die Szene beschreibt. Die Szene, als der von ihr handaufgezogene Orang-Utan-Junge Hujan in seinem neuen Zuhause in England vom 25 Jahre alten Weibchen Lucky kurz umarmt wurde. „Es waren nur zwei oder drei Sekunden. Aber schon sechs Stunden nach der Zusammenführung und einmal Spielen hat sie ihn ganz sachte berührt“, berichtet die Tierpflegerin des Krefelder Zoos über die ersten Tage der Eingewöhnung des 21 Monate jungen Hujan im Monkey World Ape Rescue Centre in Wool in der Grafschaft Dorset. 21 Monate hat sie sich als Ersatz-Mama um ihn gekümmert. Nun sagt sie: „Er hat eine tolle neue Mutter gefunden.“

Neustart klappte
schneller als gedacht

Der Umzug in den britischen Privatzoo, in dem 250 gerettete Affen leben, war nötig, weil Hujan im Krefelder Zoo von seiner Oma Lea nach anfänglicher Zuneigung zunehmend drangsaliert wurde. Sie ließ ihn beispielsweise nicht ans Futter. Seine Mutter, die nach seiner Geburt krank geworden war, sich deshalb nicht um Hujan kümmern konnte und ihn dann nicht mehr annahm, war bis zuletzt nicht an ihm interessiert.

In seiner neuen Familiengruppe, in der bisher ein Männchen mit vier Weibchen lebte, wird Hujan, da ist sich Ravagni sicher, „der kleine Prinz“. Viel schneller als erwartet lief der Neustart nach dem Umzug am 11. März, bei dem Ravagni und einer der zukünftigen Tierpfleger mit Hujan in der Transportbox per Auto – und durch den Eurotunnel – nach England reisten. Immer begleitet von einem Kamera-Team, da die Monkey World eine eigene TV-Serie im britischen Fernsehen hat. Ravagni war froh, dass die Kameras ausblieben, als sie im Eurotunnel über die runtergeklappten Rücksitze mit dem Popo in der Luft die Milchflasche für Hujan in die Transportbox hielt.

In Wool angekommen hatte James Edwards, der sich mit Hujan schon in Deutschland ein paar Tage intensiv angefreundet hatte, nur mal eben schnell geduscht und eine Pizza geholt, um dann die Nach über bei dem Kleinen zu bleiben. „Er hat sich in Hujans Schlafbox auf den Boden gelegt, während Hujan über ihm in einem Nest aus Holzwolle in einer Hängematte schlief“, erzählt Ravagni. Mit der Nachtwache wollten die Tierpfleger sichergehen, dass der Kleine nicht unruhig schläft und wenn doch jemanden hat, der sich um ihn kümmert. „Dabei hat James gelernt, dass der Mann in der Gruppe schnarcht“, sagt Ravagni lachend. Und dass ein Affenfinger im Auge besser funktioniert als ein Wecker.

Dass die Chemie zwischen Hujan und James von Anfang an gepasst habe, dass auch Kollege Jörno persönlich und fachlich ein toller Pfleger sei, habe es dem Affen, aber auch ihr als Ersatz-Mama „alles viel leichter gemacht“.

Nicht zu vergessen: Lucky und die anderen Orang-Utans. Schon am ersten Morgen nach der Ankunft sahen sich Hujan und Lucky das erste Mal – zur Sicherheit erst einmal durch ein Gitter. Aber das Alpha-Weibchen, also das Ranghöchste in der Gruppe, war neugierig und entspannt. Genau wie Hujan. Ohne Scheu oder Angst wuselten die zwei auch durch die beiden Boxen, nachdem die Verbindungstür geöffnet wurde. Nach nur drei Stunden konnten die beiden nebeneinander gefüttert werden. „Das ist wahnsinnig schnell“, urteilt Ravagni. Nach der kinoreifen Berührung folgten weitere ganz beiläufige. „Immer wenn er an ihr vorbeiging, streichelte sie ihm mal vorsichtig über den Rücken oder fasste ihn am Kopf an.“

Auch dass Lucky bereitwillig mit ihm eine Flasche mit etwas Honig teilte oder eine Apfelsine, ihm das Beste von ihrem Hühnchen-Reis-Gericht zusteckte und sogar einen mit Leckereien gefüllten Spielball zurechtlegte, sind Gründe für Hujans Ersatzmama, beim Abschied nicht zu traurig zu sein. „Es war ein Kloß im Hals, aber kein Geflenne“, fasst sie kurz und knapp zusammen. Und zu seinem Geburtstag in anderthalb Monaten hat sie schon Flug und Ferienwohnung in Wool gebucht.

Bis dahin wird Hujan als Nächstes Amei kennengelernt haben. Die rangniedrigste Orang-Utan-Dame in der Gruppe, die früher auch als einzige Erwachsene in der „Kindergarten“-Gruppe der Rescue World mit Jungtieren zusammengelebt hat.

Nach und nach werden die anderen Gruppenmitglieder folgen. „Alle seien wahnsinnig neugierig und interessiert an „dem Pimpf“ und setzten sich immer so hin, dass sie möglichst viel von ihm mitbekommen. „Und den Mann hat Lucky eh im Griff“, sagt Ravagni.