Mit Mut für eine neue Krefelder City
Auch relativ einfache Mittel können die City lebenswerter machen, sind Professor Nicolas Beucker und Designerin Anna Lührmann überzeugt. Ein Rundgang.
Krefeld. Keine Frage, in der Innenstadt tut sich was. Derzeit verwandelt das alte Horten-Haus sein Antlitz. Selbst am südlichen Ende der Fußgängerzone soll sich etwas tun, wenn das Pflaster zwischen Hansa-Centrum und Südwall ausgetauscht wird.
„Es herrscht eine Aufbruchstimmung in der Stadt”, ist Beucker überzeugt. „Mein Ansatz ist es, diese Stimmung zu nutzen und Gestaltungslust zu wecken.” Wie wünschenswert das wäre, zeigt sich besonders deutlich vor dem Hansa-Centrum. Ausgerechnet an diesem Tor zur Stadt herrscht derzeit ein heilloses Kuddelmuddel, insbesondere verstärkt durch die aktuellen Baustellen. Vorzeichen der Umgestaltung, die Beucker und seine Mitarbeiterin Anna Lührmann begrüßen.
Ein Blick auf das Wellenpflaster, das an zahlreichen Stellen geflickt wurde, macht deutlich, warum. „Das wirkt wie eine Garageneinfahrt. Das geht gar nicht, wenn man eine lebendige Stadt möchte”, sagt Beucker kopfschüttelnd.
Die Umgestaltung aus dem Stadtumbau-Topf wird außerdem die Linie Richtung Hochstraße betonen. „Das ist wunderbar. Ein Signal für die Ladenbesitzer”, ist Beucker überzeugt. Und doch beklagt er: „Gestalterisch wäre mehr drin gewesen.” So wäre es aus seiner Sicht wichtig, auch den Ostwall optisch mit der Einkaufsmeile als Stadtachse zu verbinden.
Und damit nicht genug: Lührmann und Beucker möchten Laden- und Hausbesitzer weiter mit ins Boot holen. „Der Platz wird nach der Umgestaltung zwar schon besser genutzt”, zeigt Lührmann auf das kleine Dreieck vor Saturn. Doch an diesem sonnigen Ort wäre noch eine Menge mehr machbar, etwa mit Außengastronomie, denkt Beucker. „Dazu muss die Stadt mehr Ermöglicher werden”, mahnt Lührmann. An passenden Stellen müsse auch mal Individuelles erlaubt sein.
Gestaltungswillen würde sich der Designer auch für die Häuser selbst wünschen. Als Beispiel zeigt er auf ein Gründerzeithaus, das sich erst auf den zweiten Blick als solches zu erkennen gibt. Dazu muss der Blick schon nach oben schweifen, denn unten lässt die bunte Kunststoff-Fassade die Geschichte noch nicht einmal erahnen. „Das geht nicht, dass diese Häuser so nach unten abgesäbelt werden”, findet Beucker.
Aber ist eine Veränderung machbar, wenn die Geschäftsleute auf sich aufmerksam machen möchten? „Das ist deutlich schwerer”, sagt der Professor. Ihm ist die Herausforderung bewusst. Anfangen könne man mit Regeln, wie weit der öffentliche Raum zugestellt werden dürfe. Er setzt auf den Dialog mit Hausbesitzern. „Wir müssen die Eigentümer gewinnen, um mit Einzelhändlern Regeln zu definieren.”
Unser Spaziergang durch die Innenstadt führt nun weiter gen Norden und stoppt sogleich wieder am Südwall. Der Blick Richtung Lindenstraße ist geradezu verstellt, nicht zuletzt durch Blech, aber auch durch ein streifenartiges Pflaster und Poller, die den kleinen Platz an der Bushaltestelle abgrenzen. Lührmann: „Um genau solche Verknüpfungen geht es uns.” Mit einem anderen Bodenbelag könne eine Sogwirkung in die anderen Viertel erzeugt werden. „Es gibt ganz viele Ost-West-Gassen. Der Blick muss darauf gelenkt werden, dass dahinter etwas Interessantes wartet”, sagt Beucker.
Dass wir damit bei einem kostspieligeren Thema angelangt sind, ist den beiden Designern bewusst. Mit mehr Mitteln könne eine solche Straße etwa zur Spielstraße werden. Dann wären die Autos quasi nur noch geduldet. Dabei denken die Zwei an das große Vorbild Kopenhagen, wo der Mensch bei der Stadtgestaltung in den Vordergrund gerückt wurde. Ein wünschenswertes Ziel also für langfristige Planungen, doch das Kompetenzteam kann auch mit kostengünstigeren Ideen aufwarten.
So zeigt sich die Hochstraße an der Ecke Mittelstraße bei genauerem Hinschauen fast schon wie ein kleiner Platz. “Aber es gibt keine Gelegenheit, sich aufzuhalten”, moniert Beucker. Dabei könne ein Platzcharakter den Blick vom Neumarkt aus auf sich ziehen. Jetzt endet der Gang durch die nördliche Innenstadt für viele aber am Neumarkt.
Auch an der Mittelstraße kritisieren die beiden die Querverbindungen, in diesem Fall nach Westen. „Richtung Anne-Frank-Platz wird’s kleinteilig”, weist Beucker auf die fehlende Blickachse zum schönen Platz hin. Ebenso ist der Blick an der Dreikönigenstraße nur auf eine graue Blechmasse am Willy-Göldenbachs-Platz gerichtet, vom anschließenden Grün bekommt der Besucher auf der Hochstraße nicht die kleinste Ahnung. Dabei verfüge Krefeld über manch schönen Platz, aber: die Verbindung sei schlecht.
„Ein Leitmotiv, das Orientierung gibt, fehlt bisher”, sagt Beucker. Lieb wäre den Designern da eine einheitliche Gestaltung, die auch Mobiliar wie Leuchten einschließt. Mit Wandgestaltungen könnten aber auch schon positive Wirkungen erzielt werden. „Ich fände es auch gut, wenn man ein bisschen Geschichten erzählen würde”, wirft Beucker ein. So könne die Ruine am Bröckske Historie erzählen und Blickfang werden, Sinnsprüche könnten sich auf vorhandene Angebote beziehen.
Beim Thema „Stadt für den Menschen” springt ausgerechnet der gut gefüllte Neumarkt den Designern nicht nur positiv ins Auge. In Krefeld gebe es auch ein größeres Publikum, das nicht im Café sitzen könne, lenkt Beucker den Blick auf die wenigen öffentlichen Sitzgelegenheiten. Und tatsächlich: Wie bestellt sitzen darauf gerade mehrere ältere Menschen, mit krummem Rücken vorgebeugt, da sie sich nicht anlehnen können. „Die Bänke laden nicht zum Verweilen ein”, konstatiert Lührmann. Und Beucker ergänzt abschließend einen Satz, der ein Motto für die ganze Innenstadt sein dürfte: „Ein öffentlicher Platz muss auch wirklich öffentlich sein und darf nicht nur kommerziell genutzt werden.“