Blinde segeln ohne Hilfe
Sportler aus Italien haben am Elfrather See demonstriert, wie sie sich trotz Handicap allein auf dem Wasser fortbewegen.
Krefeld. Es herrscht fast Windstille auf dem Elfrather See. Keine wirklich guten Bedingungen für ein Matchrace, bei dem ein Segelboot gegen ein anderes antritt. Trotzdem schaffen es die beiden Teams, wenn auch mit gemächlichem Tempo, geschickt die drei auf dem Wasser schwimmenden Wendemarken zu umkurven. Auch Manöver mit nur halber Bootslänge Abstand sind für die geübten italienischen Segler des Vereins Homerus, die zu Gast beim Segelklub Bayer Uerdingen (SKBUe) sind, kein Problem.
Frank Suchanek vom Segelklub Bayer Uerdingen ist beeindruckt. Denn auf beiden Booten befinden sich ausschließlich blinde Segler. Sie orientieren sich an piepsenden Tonsignalen, die die Wendemarken abgeben. „Bei den schwierigen Bedingungen ist es erstaunlich, wie gut sie sich anhand der akustischen Signale auf dem Wasser orientieren“, sagt der Vorsitzende.
Dass die blinden Segler ohne Helfer auf dem Elfrather See unterwegs sind, ist eine Premiere. Denn in ganz Deutschland ist es üblich, dass Segler ohne Sehvermögen in Begleitung einer sehenden Person aufs Wasser gehen. Damit sei Deutschland ein „weißer Fleck“ in Europa.
„In Ländern wie Spanien, England, Österreich und der Schweiz gibt es das Blindensegeln längst. Deswegen sind wir heute hier. Wir haben den Wunsch, dass auch in Deutschland Menschen daran teilnehmen können“, sagt Alessandro Gaoso. Der 81-jährige Italiener ist ein Visionär auf dem Gebiet des Blindensegelns.
Es war Nacht und Gaoso schlief bei einer über 20 Stunden andauernden Regatta auf hoher See ein. Wie durch ein Wunder hielt der erfahrene Segler sein Boot trotzdem auf Kurs. Für Alessandro Gaoso eine einschneidende Erfahrung. „Ich habe mir damals gedacht, wenn ich im Schlaf, wie blind, nur durch mein Unterbewusstsein, ein Boot auf Kurs halten kann, dann muss das auch für blinde Menschen möglich sein.“ Das war 1995. Ein Jahr später gründete Gaoso Homerus. Ein Verein, der es über 250 blinden Menschen ermöglicht hat, das Ruder in der Hand zu halten. Das Segeln an sich ist dabei ein Mittel zum Zweck. Im Vordergrund steht die Vermittlung von Unabhängigkeit und Selbstvertrauen. Nicht umsonst hat der 81-Jährige sein mutiges Projekt nach dem antiken Dichter Homer benannt.
Alessandro Malipiero segelt seit 18 Jahren. Damit gehört er zu den ersten Blinden, die das Segeln bei Homerus gelernt haben. „Es ist ein tolles Gefühl, dass ich ein großes Boot steuern kann und dabei in schwierigen Situationen Entscheidungen treffe“, sagt er.