Der Neuntöter ist zurück im Latumer Bruch
Dietmar Vogel und seine Frau Heike Köchlin sorgen als Landschaftswächter im Latumer Bruch dafür, dass Tiere und Pflanzen sich ungestört entwickeln können.
Krefeld. Manche Menschen sind einfach unbelehrbar. Zum Beispiel die ältere Dame, die auf Dietmar Vogel mit dem Stock losging, als der sie bat, ihren Hund im Naturschutzgebiet anzuleinen. „Aber das sind eher Ausnahmefälle“, sagt Vogel. Vogel ist Landschaftswächter und gemeinsam mit seiner Frau Heike Köchlin für das Latumer Bruch zuständig, „dem schönsten Naturschutzgebiet in Krefeld“, wie beide finden.
Als Ehrenamtler unterstützen die Eheleute die Untere Landschaftsbehörde, melden, wenn das Grün an Hinweistafeln zurückgeschnitten werden muss, Müll herumliegt oder Reiter ohne Plakette unterwegs sind. Außerdem klären sie Spaziergänger darüber auf, was im Naturschutzgebiet erlaubt ist und was nicht.
Meist seien die Menschen einsichtig. „Viele haben einfach nur erschreckend wenig Ahnung“, sagt Vogel. Die Ahnungslosen ließen sich zum Beispiel auch von Zäunen nicht beirren und schreckten dabei brütende Vögel auf. Oder finden ein Kitz im Gras und bringen es ins Tierheim, „obwohl es normal ist, dass die Kitze in der Deckung zurückbleiben“, erklärt Köchlin.
Dietmar Vogels Name ist Programm. Er ist Ornithologe, seine besondere Aufmerksamkeit gilt den Vögeln. Wenn er durchs Latumer Bruch streift, hat er immer ein Fernglas um den Hals hängen. Ertönt ein Vogelruf oder fällt der Schatten einer Vogelschwinge aufs Gras, hebt der Ornithologe das Glas an die Augen, um den Verursacher aufzuspüren. „Das Latumer Bruch ist für die Vogelwelt ein wichtiges Gebiet“, erzählt er. 150 Vogelarten hat er auf dem rund 180 Hektar großen Gelände, das zwischen zwei alten Rheinarmen liegt, bereits gezählt. Zum Vergleich: In ganz NRW wurden bisher nur rund 200 Vogelarten nachgewiesen. Beobachtet haben Vogel und Köchlin im Latumer Bruch auch hoch bedrohte Rote-Liste-Arten wie das Braunkehlchen. In diesem Jahr hat das Ehepaar sogar ein Brutpaar zur Brutzeit im Latumer Bruch entdeckt — eine echte Sensation.
Gleiches gilt für den Neuntöter. Ein Brutpaar wurde zum letzten Mal 1966 in Krefeld gesehen. „In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal wieder ein Paar vors Fernglas bekommen“, erzählt Vogel, der sich in der Regel bedeckt hält, was seine Entdeckungen betrifft. Sonst könne es vorkommen, dass Neugierige aus dem ganzen Land ins Bruch strömen, um die seltene Art selbst vors Fernglas zu bekommen — alles schon dagewesen.
Früher war das Latumer Bruch von intensiver Landwirtschaft geprägt. In den 50er Jahren sei sogar im Gespräch gewesen, auf dem Gelände einen Vergnügungspark zu errichten, berichtet Vogel. Dann fand ein Umdenken statt. Die Landwirtschaft wurde extensiviert, also auf eine umweltfreundliche Nutzung umgestellt. Nach und nach erobern sich die für das Gebiet typischen Pflanzen das Gelände zurück. „Allerdings kann es rund 20 Jahre und noch länger dauern, bis sich der Boden von den Nährstoffen, die beim Düngen zugegeben wurden, erholt hat, so dass wieder ein Artenreichtum entstehen kann“, erzählt Vogel. Ein generelles Problem sei, dass das Bruch sehr trocken sei (die WZ berichtete). „Das wurde durch den heißen Sommer noch verstärkt.“
Wie sich die Natur ihren Platz sucht, lässt sich an den Tümpeln im Gelände beobachten. Im Teich, der im vergangenen Jahr angelegt wurde, wächst nur an einzelnen Stellen ein wenig dünnes Schilf, Tiere haben sich im Wasser noch nicht eingefunden. Ganz anders ein weiterer Teich im Bruch, der vor Jahren angelegt wurde. Dort umschließt das Grün das Wasser meterhoch.
Nähern sich Heike Köchlin und Dietmar Vogel dem Tümpel, stößt der Sumpfrohrsänger, der im Gebüsch einen Brutplatz gefunden hat, seinen Warnruf aus. Dann lächeln Köchlin und Vogel still, wissend, dass sich ihr Einsatz fürs Bruch gelohnt hat.