Krefelder Sportgeschichte: Radfahr-Verein 1912 löste sich auf
Krefeld-Uerdingen. Sie haben mehr als 30-mal das Radrennen „Rund um Uerdingen“ ausgerichtet, bei dem über tausend Fahrer in die Pedale traten. Und sie haben regelmäßig zur Ausdauerfahrt „Radtouristik“ geladen, bei der in Hochzeiten ebenfalls mehr als tausend Zweiradfans von Uerdingen aus den Niederrhein erkundeten.
Im vergangenen Jahr hätte der RadfahrVerein 1912 Uerdingen sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Doch die Jubiläumsfeier fiel aus. „Wir hatten bereits beschlossen, uns aufzulösen und haben das Jubiläum darum nicht begangen“, erklärt Vorsitzender Manfred Schulz. „Mit 60 Jahren war ich das jüngste Mitglied. Nachwuchs hatten wir keinen“, begründet er die Entscheidung, die Handbremse zu ziehen. Nur noch rund zehn Mitglieder engagierten sich im Verein. „So konnten wir keine Veranstaltungen stemmen.“
Dass den Vereinen der Nachwuchs fehlt, ist nicht neu — das wissen auch Schulz und sein Mitstreiter Ulrich Kampschulte (72). Die Jugend habe andere Interessen und verbringe zudem immer mehr Zeit in der Schule. „Wer Sport treibt, weiß, dass Sport wehtut. Da unternehmen die jungen Leute lieber andere Dinge“, beschreibt Schulz das Dilemma. Er hat einen weiteren Trend ausgemacht: „Es gibt immer mehr Menschen, die für sich alleine Sport treiben. Das Engagement im Verein scheuen viele.“
Gerne hätte der Radfahrverein zum Beispiel die Veranstaltung „Radtouristik“ von einem anderen Verein weiterführen lassen. Die Mitglieder hätten den Einsteigern bei den ersten zwei Terminen zur Seite stehen, die Streckenpläne und die Beschilderung überlassen können. Doch es fand sich kein Verein, der bereit war, sich um die aufwendige Logistik zu kümmern. „Und wir konnten die Kosten nicht mehr tragen. Wir hatten keinerlei Sponsoren und haben die Veranstaltung nur über Startgelder finanziert“, erklärt Kampschulte.
Schade finden Kampschulte und Schulz das besonders, wenn sie die Historie des Vereins Revue passieren lassen. Immerhin war der Verein — so steht es in der Chronik — einer der ersten der Stadt, dessen Mitglieder das Zweirad als Sportgerät verstanden und die Idee hatten, dass sich auch Krefelder Radler auf einer Rundstrecke messen können.
Während des 2. Weltkriegs hatte sich der Verein aufgelöst, 1952 aber starteten die Sportler neu durch: Rechtzeitig zur Uerdinger Turn- und Sportwoche richteten sie das erste Rennen nach dem 2. Weltkrieg aus. Etliche Helfer meldeten sich freiwillig, um die Vereinsmitglieder dabei zu unterstützen, bemalten noch per Hand die rund 300 Rückennummern, die Winkerfahnen oder Rundennummern. Als Rundenzeichen ertönte damals noch die Glocke der Uerdinger „Pont“, der Fähre, die bis zur Fertigstellung der Uerdinger Rheinbrücke zwischen Uerdingen und Mühlheim pendelte.
Der Verein brachte unter anderem den späteren Nationalfahrer Heinz Esch hervor und die Gebrüder Emil und Helmut Merks, die in der Presse als „Hoffnungen des deutschen Radsports“ bejubelt und „Erben eines Hans Junkermann oder Lothar Claesges“ gehandelt wurden.
Nun ist der Verein Geschichte, obwohl er in Krefeld Sportgeschichte geschrieben hat. Die Vereinschroniken sollen im Stadtarchiv einen Platz finden, die Vereinsstandarte aus dem Jahr 1920, die der Verein aufwendig restauriert hat, will Schulz dem Uerdinger Heimatbund übergeben. Und Schulz und Kampschulte? Die wollen weiter in die Pedale treten — auch ohne Rückenwind durch den Verein. „Ein bisschen traurig sind wir schon, aber die Liebe zum Radsport bleibt“, sind sie sicher.