Vor 130 Jahren startete die Dampfstraßenbahn nach Uerdingen
Vor 130 Jahren wurde die Verbindung zur Krefelder Innenstadt eingerichtet — sie barg einige Gefahren.
Krefeld. Wer sich heute auf die Straßenbahnschienen setzt und das Fahrzeug zum Halten zwingt, hat schnell ein Problem mit der Polizei. Als sich vor 130 Jahren „junge Flegel zu ihrem größten Gaudium unter lautem Schreien zwischen die Gleise setzten“ und die Bahn zum Stopp zwangen, war die Strafe drastischer: Es „ereilte sie die rächende Nemesis in Gestalt des Condukteurs, der ihnen mit gehörigen Prügeln vorläufig die Lust zu weiteren derartigen, ebenso gefährlichen, wie frechen Bubenstücken benahm.“
Solche Anekdoten hat der Uerdinger Heimatbund gesammelt und zum Geburtstag der Straßenbahnlinie nach Uerdingen in einem Heft herausgegeben. Vor ziemlich genau 130 Jahren, am 5. November 1883, nahm der fahrplanmäßige Straßenbahnverkehr auf der Linie Krefeld-Uerdingen, der „Dampfstraßenbahnzug der Crefeld-Uerdinger Localbahn“ seinen Dienst auf.
„Damals fuhren die Menschen mit der Auguste zur Kirmes“, berichtet Heimatbund-Vorsitzender Elmar Jakubowski. „Das bedeutete meist einen abenteuerlichen Dampfeisenbahnverkehr mit vielen Überraschungen.“ In dem Heft des Vereins wird die Geschichte der Straßenbahn in den ersten zwanzig Jahren erzählt. „Hierfür haben Dieter und Rosemarie Rehbein ins Archiv geblickt und viele Informationen und nette Anekdoten zusammengetragen.“
Eigentlich begann das Zeitalter der Straßenbahn in Uerdingen schon am 3. Mai 1883, da fuhr der mit den „Honoratioren aus Krefeld und Uerdingen besetzte blumen- und fahnengeschmückte Dampfstraßenbahnzug laut und rauchend bis zum historischen Marktplatz.“ Da wurden auch die Preise festgesetzt. Die Strecke Crefeld — Thiergarten kostete in der I. Klasse 20 und in der II. Klasse 15 Pfennige. Den regulären Fahrplan gab es jedoch erst im November.
Für die Straßenbahn wurde im März 1883 ein Vertrag zwischen dem Berliner Unternehmen Reymer und Masch und der Stadt Krefeld, vertreten durch ihren Oberbürgermeister Ernst Küper, geschlossen. Das Schriftstück wurde wenige Tage später von der Regierung in Düsseldorf verabschiedet. Im folgenden Januar übergibt die Berliner Firma die Straßenbahnanlage an die neu gebildete, ebenfalls private, Crefeld-Uerdinger Localbahn AG mit Sitz in Krefeld. Ein Betriebshof und 69 Beschäftigte gehören dazu.
Allerdings waren die Geschichten rund um die Bahn nicht alle erfreulich. Am 27. April 1886 berichtete die Tageszeitung: „Gestern Abend passirte auf der Straßenbahn zu Bockum ein bedauernswertes Unglück. Ein Crefelder Appreturgehülfe versuchte trotz wiederholten Verbotes des Schaffners, seine Turnkünste auf dem Trittbrett eines Sommerwagen, rannte jedoch mit dem Kopfe gegen einen Chausseebaum und schlug zur Erde. Hierbei gerieth er mit beiden Beinen unter die Räder eines Wagens, wodurch beide Beine, eines sogar mehrfach brachen. Möge dieser Fall zur Warnung dienen.“