Schwarze Kull: Angelverein ohne Heim, Fisch und Wasser
Stadt zerstört eine Idylle an der Moerser Landstraße. Wegen Fledermäusen darf die Hütte aber nicht vollends abgerissen werden.
Verberg. Gleich zweimal hat Sankt Bürokratius an der Moerser Landstraße zugeschlagen - mit einem großen Hammer. Übrig geblieben ist eine Ruine des bis vor wenigen Tagen noch schnuckeligen Heims des kleinen Angelvereins Traar - ohne Fußbodenbretter, aber mit vielen langen Nägeln, die aus den Balken ragten.
Stanislaw Rogowski, vor drei Jahren von den acht Mitgliedern zum neuen Vorsitzenden gewählt, und sein Vorgänger Peter Gans sind entsetzt. "Wir können uns auflösen. Wir sind ein Angelverein ohne Heim, Fisch und Wasser."
Natürlich gibt es eine Vorgeschichte. Die Stadt als Grundstückseigentümerin hat den am 30. September ausgelaufenen Pachtvertrag mit dem 1952 gegründeten und an diesem uralten Rheinarm - im Volksmund Schwarze Kull genannt - beheimateten Verein nicht verlängert, weil Stanislaw Rogowski (46) einen "Eingriff in die Landschaft" vorgenommen hat, wie es Heino Thies, Leiter der Unteren Landschaftsbehörde, nennt.
Er hat, ohne den Verpächter zu fragen, am Ufer einfach einen Weg vom Tor zur Hütte angelegt. Mit Ästen von vier städtischen Fichten, die Kyrill vor fast zwei Jahren nebenan umgehauen hat, baute er im Sommer 2007 den "Damm" und legte blauäugigerweise noch Platten drauf.
"Wir haben nasse Füße bekommen, wenn wir zu unserer Hütte wollten", erklärte Rogowski gegenüber der WZ die "Baumaßnahme". Der gestiegene Wasserstand der Verberger Kull sei nicht etwa ein natürlicher Vorgang. "Dort hinein wird das Grundwasser aus der LEG-Siedlung gepumpt", weiß auch sein Vorgänger Peter Gans (67), der 34 Jahre an dieser Kull geangelt hat und sich an einen 30-pfündigen Wels erinnert, "der die ganze Badewanne in Anspruch genommen hat, ehe er von der ganzen Familie verspeist wurde".
Dass Landschaftspfleger Johann Heller-Steinbach (51) vom Fachbereich Grünflächen an seinem freien Samstag mit großem Hammer, beiden Söhnen und einem Landwirt aus Traar das Werk der Zerstörung am Kullufer fortsetzte, begründet sein Abteilungsleiter mit "Eile durch Fristsetzung". Die Aktion werde nämlich aus Fördermitteln der Europäischen Union bestritten, aus dem Topf zur "Erhaltung ländlichen Erbes". Reicht das EU-Geld nicht, werde das Land NRW das Loch auffüllen, ergänzte Thies.
Groteske Züge bekommt der Vorgang an der Moerser Landstraße, Höhe Nr. 83, dadurch, dass seit dem 8. Oktober klar ist, dass die Kullhütte überhaupt nicht vollständig abgerissen werden darf. Artenschützerin Andrea Funke aus demselben städtischen Amt wie der Landschaftspfleger hat nämlich an diesem Tag festgestellt, dass eine Fledermaus-Kolonie in der Zwischendecke wohnt und das, wie die Mitglieder des Traarer Angelvereins wissen, seit vielen Jahren.
Ob die streng geschützten Flattertiere durch die Hammerschläge am Wochenende in ihrem erst jungen Winterschlaf arg gestört worden sind? Nach ihrem ersten Ausflug im Frühsommer soll der Abbruch vollendet werden.
Nachbar Jürgen Haseleu, der sich an der gepflegten Kull-Hütte stets erfreut hatte, erinnert sich an ein Machtwort der Artenschützerin an jenem 8. Oktober: "Hier wird nichts abgerissen." Haseleu, auf dessen Grundstück sich die Bretter vom Hütten-Rückbau stapeln, bedauert die Entwicklung: "Die Angler hätten über meine Wiese zur Hütte gehen können. Die Schlüssel zum Tor hätten sie jederzeit bekommen."
Zu spät. Vorgestern hat der Liegenschaftsausschuss beschlossen, das fragliche Kull-Ufer für die nächsten zwölf Jahre an den Verberger Angelverein zu verpachten. Vorsitzender Joachim Huska hätte nichts gegen die Hütte der langjährigen Nachbarn gehabt, aber: "Wir haben selbst eine." Um Geld geht es natürlich auch:
Nach seinem Rücktritt aus Gesundheitsgründen hat Peter Gans die Hütte an Stanislaw Rogoswski für 5000 Euro verkauft. Der will jetzt sein Geld zurück, und zwar vom Oberbürgermeister. Rogowski: "Doch der antwortet einfach nicht."