Traar - der Stadtteil mit den Windmühlen
Das Ehepaar Versteegen führt durchs Heimatdorf: Eine Idylle alter Höfe und moderner Doppelhäuser.
Krefeld-Traar. „Treffen wir uns in der Eisdiele“, schlagen Ursula und Theo Versteegen vor. Die Gefahr, uns zu verpassen, ist gering: Denn in Traar gibt es nur dieses eine Eiscafé. So wie der Stadtteil auch nur einen Supermarkt, eine Grundschule, einen Fußball- und einen Schützenverein besitzt. Dafür kann Traar gleich mit zwei Mühlen, drei Kirchen, vier Kinderspielplätzen, sieben Blumenläden und ungezählten Landschaftserlebnissen protzen: Umgeben von saftigen Wiesen, dunkelgrünen Äckern, Raps- und Weizenfeldern lebt es sich idyllisch im Krefelder Norden.
„Zu meiner Schulzeit gab es noch um die 40 Bauernhöfe“, erinnert sich Theo Versteegen. Sogar ein Hufschmied war ansässig, dessen Werkstatt knapp hinter dem Eiscafé lag, wo wir den Rundgang beginnen. Es geht entlang der Moerser Landstraße, die sich als Hauptverkehrsader einmal quer durch den Ortsteil zieht. Die ruhige, ländliche Umgebung, die vielen verstreuten Höfe und die lockere Besiedlung machten das Dörfchen schon um die Jahrhundertwende als Wohnort beliebt. Eine ganze Reihe vornehmer Villen zeugt bis heute davon, dass so mancher wohlhabende Bauherr die Vorzüge des beschaulichen Lebens vor mehr als 100 Jahren schon zu schätzen wusste.
Die Lebensqualität in Traar ist nach wie vor hoch: Der Stadtteil hat sich in den vergangenen dreißig Jahren zu einem der bevorzugtesten Neubaugebiete Krefelds entwickelt. Allein zwischen Kemmerhofstraße und Moerser Landstraße sind hunderte Wohnhäuser entstanden. Während die Zahl der Bauernhöfe auf ein Fünftel geschrumpft ist, hat sich die Einwohnerzahl verdreifacht. Viele Zugereiste mischen sich inzwischen unter die Urbevölkerung. „Wer sich öffnet, zum Schützenfest, in den Tennis- oder Männergesangverein kommt, findet schnell Zugang. Denn in Traar lebt man nicht anonym, hier wird Nachbarschaft gepflegt“, sagt Theo Versteegen. So wie damals, als er die Nachbarstochter Ursula beim „Kränzen“ kennenlernte.
Der niederrheinische Hochzeitsbrauch brachte das Paar zusammen, das bis heute an der Bergstiege zuhause ist. Ihr Haus steht an einer der wenigen Straßen von Traar, die auf einem klitzekleinen Stück tatsächlich noch unbefestigt sind. Im Sommer blühen hier Ginster und Heide. Rehe, Hasen und Kaninchen kommen bis an die Gartenpforte. Falken und Feldhühner lassen sich aus dem Wohnzimmer beobachten.
Ursula Verstegen über Traar Wo die Traarer Natur noch nicht von geklinkerten Doppelhaushälften oder modernen Einfamilienhäusern zurückgedrängt worden ist, fühlt man sich wie ein Zeitreisender. „Wir lieben diese Ruhe. Bis vor zwei Jahren lebten in unserer Straße auch nur drei Familien. Erst vor Kurzem sind zwei weitere hinzu gekommen.“
Die Ruhestörung wird gern in Kauf genommen: „Die neuen Anwohner haben unsere Straße verjüngt“, freut sich Ursula Versteegen, die immer einen guten Draht zu jungen Menschen hatte. 30 Jahre lang war sie „mit Leib und Seele“ Lehrerin. Lesen, Schreiben und Rechnen haben viele Traarer bei ihr gelernt. „Ganz früher gab es noch Bekenntnisschulen. Sogar der Pausenhof war durch die Regenrinne in eine katholische und eine evangelische Seite geteilt“, erinnert sie sich. 1975 zog die Städtische Gemeinschaftsgrundschule an den Buscher Holzweg.
Die angrenzende Turnhalle ist für die Traarer jedoch ein wunder Punkt: „Die Sanierung ist mehr als überfällig.“ Weiter geht es zum Traarer Rathausmarkt. Wenn die Geschäfte über Mittag schließen, wirkt der Ortskern geradezu verschlafen. Nur ab und zu braust ein Auto vorbei. Ein paar Mütter schieben ihre Kinderwagen in Richtung der Pfarrkirche St. Josef. Eine ältere Dame schlendert in der Frühlingssonne mit ihrem Rollator hinterher. „Die Geschäfte des täglichen Bedarfs sind vorhanden“, sagen die Versteegens. Der so oft diskutierte Vollsortimenter wäre trotzdem wünschenswert. „Ein Theater oder eine Bücherei haben wir hier auch nicht“, sagt Ursula Versteegen. Den kulturellen Reichtum des Stadtteils sichern vor allem die beliebten Mundart-Veranstaltungen.
Theo Versteegen ist Gründer des Arbeitskreises Mundart und weiß, wie „de Traarer suo kalle“. „In Mundart lassen sich Dinge viel würziger ausdrücken als auf Hochdeutsch. Literatur in Mundart hat etwas Urwüchsiges“, sagt Versteegen, der ein ursprüngliches Traarer Gewächs ist. Am Fuße der Egelsberger Mühle geboren, erinnert er sich gern an Zeiten, als man bei Schnee noch ab der Mühle rodeln konnte, als die historische Hofanlage Haus Traar Unterkunft der Schulsekretärin war und als für die Kinder an St. Martin Traarer Püfferkes gebacken wurden. Diesen Geschichten über Menschen und Bräuche seines Heimatdorfes hat er einen Gedichtband gewidmet. Wie könnte es anders sein: in feinster Traarer Mundart verfasst.