Vortrag: Gerrit Heinemann sieht Chancen für Einzelhändler
„Alles online oder was?“ Professor Gerrit Heinemann weiß, wie klassische Geschäfte überleben können. Vortrag am 19. Februar in der Mediothek.
Krefeld. Während der klassische Versandhandel so gut wie tot ist, boomt das Online-Geschäft. Was macht diese Form des Einkaufens so interessant? Und was kann der klassische Einzelhändler daraus lernen. Die WZ sprach mit Professor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein, der mittlerweile deutschlandweit als der Experte für den Online-Handel gilt.
Er sieht vor allem drei Faktoren als ausschlaggebend an: die Auswahl, die Flexibilität und die Schnelligkeit. Die klassischen Versandhändler seien der irrigen Annahme gewesen, dass es reicht, ihre Kataloge zweimal im Jahr ins Netz zu stellen. Dies sei aber weit gefehlt. „Davon abgesehen, dass eine jährliche Katalogstrecke bis zu 20 Prozent des Umsatzes kostet, beschränkt sie das Sortiment“, sagt Heinemann.
Mit einem Katalog könne man vielleicht rund 6000 Artikel anbieten. Selbst ein kleines Warenhaus verfüge schon über das Vielfache. Das KaDeWe in Berlin habe geschätzt rund 500 000 Artikel, der erfolgreichste Internet-Händler Amazon über 53 Millionen alleine in Deutschland im Angebot.
Hinzu komme, dass der Online-Handel viel flexibler sei. „Man ist nicht an die Saison gebunden wie mit dem Hauptkatalog, man ist bei der Preisgestaltung flexibler, man kann Artikel, die nicht gefragt sind, einfach aus dem Angebot streichen. All das ist bei Katalogen so nicht möglich “, sagt Heinemann.
Drittes Argument ist der Zeitfaktor. Der Online-Handel ist durchautomatisiert, die Ware hat man meist schon am nächsten Tag, eine Rückgabe sei denkbar einfach. Beim Versandhandel dauere die Lieferung manchmal über eine Woche.
Auf die Frage, was der stationäre Einzelhandel aus diesem Vergleich lernen kann, sagt der Professor: „Die klassischen Einzelhändler müssen verstehen lernen, dass die Entwicklung zum Online-Handel vom Kunden getrieben und nicht mehr umkehrbar ist.“ Es handele sich um eine alles verändernde Revolution, die nur noch vergleichbar sei mit der Einführung der Selbstbedienung im Jahr 1938.
Die digitale Entwicklung erfolge aber schneller und werde weiter fortschreiten — mit der stetigen Verbesserung der Technik und der Netze sowie immer mehr ausländischen Anbietern, die auf den Markt drängen. Profitieren könne der Einzelhandel vom Wunsch des Kunden, Dinge, die man kaufen will, anzuschauen, anzufassen oder anzuprobieren.
Gleichzeitig erwarten die Kunden laut Umfragen zu über 60 Prozent, dass man sich im Internet vor dem Einkauf vorbereiten kann: Ist der gewünschte Artikel verfügbar, kann man ihn vorbestellen, wo ist die nächste Filiale? Heinemann: „In der Kombination haben die Händler den Vorteil, den der reine Online-Handel so erst einmal nicht bieten kann.“
Derzeit höre die digitale Welt oft an der Ladentür auf. Die Kunden aber wollen das mobile Internet überall und jederzeit nutzen können. „Statt rotem Teppich oder Sekt sollte man deswegen freies WLAN oder eine Abholstation für andere Händler anbieten, denn das ist die neue Art der Kundenorientierung“ , rät Heinemann.