"Die Jugend braucht neue Antworten"

Seit dem Jahreswechsel ist Kreishandwerksmeister Rolf Meurer im Amt. Mit der WZ spricht er über Schwerpunkte.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Rolf Meurer (58) ist seit dem Jahreswechsel der oberste Repräsentant der Kreishandwerkerschaft Niederrhein. Er stammt aus einer Handwerkerfamilie und bezeichnet sich als „Handwerker von der Pike auf“. Mit der WZ spricht er über die Schwerpunkte seiner ehrenamtlichen Arbeit für die Kreishandwerkerschaft.

Herr Meurer, mussten Sie überredet werden, Kreishandwerksmeister zu werden?

Rolf Meurer: Nein. Ich bin davon ausgegangen, dass ich ein möglicher Kandidat bin, der auch der Organisation guttut. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass ich seit 2002 stellvertretender Kreishandwerksmeister, damals vor der Fusion für Viersen, war. Man kennt mich bereits in der Region. Und in der geheimen Abstimmung im Dezember 2013 bin ich mit sehr großer Mehrheit gewählt worden.

Wie schmeckt das neue Amt?

Meurer: Einen Vorgeschmack habe ich ja bereits über einen langen Zeitraum gewonnen. Als Vertretrt meines Vorgängers Otwin Dewes und durch meine anderen Ehrenämter habe ich schon viele Termine gehabt, auch in Krefeld.

Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?

Meurer: Ein wichtiges Ziel ist es, die Kommunikation nach innen und nach außen zu verstärken. Ich möchte, dass das Handwerk in der Region stärker wahrgenommen wird. Ziel ist es, mit der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein auf Augenhöhe zu sein. Deshalb habe ich mit IHK-Präsident Heinz Schmidt schon einen Gesprächstermin angedacht. Er hat mir auch zur Wahl gratuliert. Ich strebe auch eine stärkere Zusammenarbeit an, weil die Chemie zwischen uns stimmt. Wir haben bestimmt gemeinsame Themen, die aber noch nicht definiert sind. Ein Thema könnte sein, als Unternehmerverband stärker wahrgenommen zu werden.

Themen zurzeit sind Ausbildung und Fachkräftemangel. Welche Bedeutung haben sie für Sie?

Meurer: Grundsätzlich steht das Thema Ausbildung bei mir sehr, sehr weit oben. Bei der Ausbildung setzen wir auf Klasse statt Masse. In bestimmten der 130 Handwerksberufen in der Region werden die Anforderungen immer höher. Beispiel Kraftfahrzeug-Handwerk: Die Technologie wird immer anspruchsvoller. Da müssen wir bei der Auswahl der Auszubildenden natürlich drauf achten. Das wird uns von Lehrern allgemeinbildender Schulen mitunter auch zum Vorwurf gemacht.

Gibt es ein Problem mit Schulen?

Meurer: Ein Riesenproblem ist, dass abgebende Schulen nicht ausreichend im Thema sind, was von Berufsschulen vorausgesetzt werden muss. Meiner Meinung nach muss die Kommunikation zwischen diesen beiden Schulformen intensiviert werden, da ist viel Sand im Getriebe. Das ist auch ein Problem der Zuständigkeit.

Sind Anforderungen im Handwerk sehr stark gestiegen?

Meurer: Das ist unterschiedlich. Von den etwa 130 Handwerksberufen sind es etwa 40 Prozent, bei denen die Anforderungen gestiegen sind. Wir haben heute bereits Lehrstellen, die nicht qualifiziert besetzt werden können. Für mich ist es ein Missstand, dass für viele Abiturienten das Handwerk hintenan steht. Viele Schüler wären im Handwerk besser aufgehoben, statt sich durch das Abitur zu quälen. Dann folgt, irgendwie selbstverständlich und ohne besondere Motivation, das Studium. Das führt zu einer hohen Zahl von Studienabbrechern. Ich denke darüber nach, wie man an diese Leute herankommt. Das Problem ist: Der Zeitpunkt des Abbruchs ist nicht definierbar.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, um diese Punkte zu ändern?

Meurer: Wenn man Jugendliche nach ihrem Potenzial fordert und fördert, sind wir auf dem richtigen Weg. Jugendliche müssen heute anders motiviert werden als früher. Wir müssen neue Antworten auf neue Herausforderungen finden, auch im Hinblick auf die Abbrecher. Deshalb wird es auch einen Termin in der Hochschule Niederrhein geben.

Wie werden Sie diese neuen Antworten finden?

Meurer: Das Handwerk muss sich besser darstellen. Wir müssen den Jugendlichen ihre Chancen aufzeigen und sie — auch die Abbrecher — da abholen, wo sie gerade stehen. Wir praktizieren bereits Berufsorientierung durch unser Bildungszentrum. Das sucht den Kontakt zu Schulen. Bei unseren Ausbildungsmessen haben wir Kontakt zu vielen Schülern. Für die müssen wir nicht nur das richtige Angebot haben, wir müssen es auch rüberbringen. Da wird auch unsere Image-Kampagne helfen, die bereits 2010 gestartet ist, aber die 2014 einen „neuen Aufschlag“ bekommt. Die Optik bleibt, aber sie wird stärker regionalisiert, um eine höhere Identifikation zu erreichen. Wir wollen stärker zeigen, wie vielfältig das Handwerk ist. Wir wollen jeden jugendlichen Interessenten stärker einbeziehen und direkter ansprechen. Ein weiteres, ganz wichtiges Thema ist die Unternehmensnachfolge im Handwerk. Viele Betriebe stehen in den nächsten Jahren vor diesem Problem. Es wäre ein herber Verlust für die Region, wenn gut gehende Handwerksbetriebe vom Markt verschwinden, nur weil es keinen geeigneten Nachfolger gibt.

Müssen Sie als oberster Repräsentant des Handwerks am Niederrhein drei unterschiedliche Naturelle — den Krefelder, den Viersener und den Neusser — vertreten?

Meurer: Ganz klares Nein. Aus meiner Sicht sind wir alle Niederrheiner.