Wohnstätte droht Mietern wegen Meinungsäußerung
Zwei Frauen lassen sich nicht unterkriegen. Mieterschutzbund: „Herrschaften agieren am Ton vorbei.“
Krefeld. Wenn sich die Wohnstätte auf den Schlips getreten fühlt, dann schießt sie schon mal übers Ziel hinaus: So geschehen in der vergangenen Woche, als Vorstand Thomas Siegert und der für Vermietung zuständige Abteilungsleiter Peter Schwarz einen Drohbrief an ihre langjährigen Elf-rather Mieterinnen Renate Dresen und Gabriela Leven schickten. Die beiden Frauen werden „abgemahnt“, sich in Zukunft „sachlich und in der gebotenen Form“ mit der Wohnstätte auseinanderzusetzen, „anderen Falls werden wir Ihnen das Mietverhältnis aufkündigen“.
Renate Dresen und Gabriela Leven hatten in einem Leserbrief das Verhalten des kommunalen Wohnungsunternehmens mit dem eines „sizilianischen Großunternehmens“ verglichen. Eine Reaktion auf den WZ-Bericht über Schimmel in der Stahldorfer Siedlung „Klein-Österreich“, in dem der Schwiegersohn einer kranken Mieterin zitiert worden war, dass sich viele Wohnstätten-Mieter nicht trauen, bei Mängeln den Mund aufzumachen.
Schimmel hat Gabriela Leven auch in ihrer Wohnung — im Badezimmer, wo Waschmaschine und Trockner stehen. Sie versichert: „Obwohl hier immer das Fenster geöffnet ist.“ Die Fugen der Fliesen sind schwarz vor Schimmel. Der macht sich auch breit an der Decke und der Außenwand des Bades im obersten Stock des Hauses Neukirchener Straße 53. Es stammt, wie alle 868 Wohnungen in diesem Quartier, aus Mitte der 60er Jahre. Auch hier hatte der ortsansässige Objektbetreuer der Wohnstätte behauptet, es sei nicht ordentlich gelüftet worden. „Der Mann war gar nicht in der Wohnung“, klagt Gabriela Leven über die Ferndiagnose. Eine an die Wand geklebte Folie verhindert, dass der morsche Putz über den Fliesen in die Badewanne fällt.
Nachbarin Renate Dresen zählt aus dem Handgelenk ein halbes Dutzend Fälle auf, in denen der Objektbetreuer eine unrühmliche Rolle spielt. Sogar persönlich beleidigend sei der Mann geworden. Die Reaktion auf den Leserbrief zeige, „dass der Vergleich mit dem sizilianischen Großunternehmen nicht an den Haaren herbeigezogen ist“.
Der Drohbrief der Wohnstätte beschäftigt jetzt den Mieterschutzbund. Geschäftsführer und Jurist Peter Hess: „Die Herrschaften agieren am Ton vorbei. Die haben nicht gemerkt, dass es einen Wohnungsmarkt gibt. Solche Einschnitte in die Meinungsfreiheit sind unmöglich“. Er empfiehlt Mietern in ähnlichen Situationen: „Lasst uns die Briefe an den Vermieter schreiben. Wir haben eine Haftpflichtversicherung.“
Wohnstätte-Vorstand Siegert erklärte auf Nachfrage: „Wir stehen zu unserem Brief. Ich diskutiere nicht darüber.“ Als ihn die WZ darauf hinwies, dass die Balkonbrüstungen in vermutlich allen Elfrather Wohnstätte-Objekten nicht dem Paragraphen 4 des Landesbaugesetzes entsprechen, weil sie sechs oder sogar 24 Zentimeter zu niedrig sind (bis zwölf Meter Höhe muss die Brüstung 90, darüber hinaus 110 Zentimeter hoch sein), sicherte er eine Prüfung zu. Die Wohnstätte hatte die Objekte im Oktober 1992 für 61 Millionen Mark vom aufgelösten RWI-Fonds erworben. Siegert: „Die Stadt hat die Häuser nach der Fertigstellung abgenommen.“