Produzent aus Erkrath „Finanziell tut das richtig weh“

Erkrath. · Tim Schulte ist Musiker, produziert Bands und begleitet sie auf Konzerten. Die Corona-Krise hat sein Leben auf den Kopf gestellt.

Tim Schulte hat sich in seinem Hildener Studio auf sein neues Album konzentriert.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Als die Corona-Krise im März mit voller Wucht zuschlug, war ich mit anderen Dingen beschäftigt: Meine Frau war hochschwanger, wir hatten eine Baustelle an unserem Haus, und ich habe das neue Massendefekt-Album „Zurück ins Licht“ produziert. Dann fielen die ersten Konzerte aus, plötzlich fand gar nichts mehr statt, alle Touren wurden abgesagt – der Live-Sektor lag und liegt auch immer noch komplett brach. Dann war klar: Es wird keinen Festivalsommer geben. Ich betreue auch einige Bands bei ihren Auftritten, kümmere mich beispielsweise um den Sound.

Finanziell tut das natürlich richtig weh. Ich bin selbstständig und gegen solche Dinge nicht versichert. Ich habe zwar die Corona-Hilfen beantragt und auch erhalten, aber es ist ja völlig unklar, ob ich sie komplett wieder zurückzahlen muss, nur zum Teil oder gar nicht. Existenzbedrohlich wurde die Situation für mich bisher aber glücklicherweise nicht. Wir verzichten natürlich auf Luxus. Aber essen gehen oder in den Urlaub fahren ist momentan ja ohnehin nicht drin.

Ich habe ein Stipendium erhalten, um Einzelprojekte voranzutreiben. Ich wollte mich ohnehin im Videobereich weiterbilden und habe in diesem Zuge ein Video mit einem befreundeten Orchestermusiker gedreht, das die Situation in der Musikbranche widerspiegeln soll. Wir haben uns „European Lockdown Orchestra“ („eULoc.O“) genannt. Ich habe immer ein Projekt vor mir – und das sorgt für Halt und Stabilität. Es gibt immer etwas zu tun und zu planen.

Ans Aufgeben habe ich nie gedacht. Dafür liebe ich diesen verrückten Beruf viel zu sehr. Es ist auch ein Stück Lifestyle, auf den ich nicht verzichten möchte. Andere Kollegen aus der Musikbranche hat die Corona-Krise allerdings völlig aus der Bahn geworfen.

Kollegen aus der Musikbranche sind oft verzweifelt

Vielleicht waren sie vorher schon angeschlagen, dann kam noch ein hohes Maß an Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung dazu. Ich habe von einigen Menschen gehört, die sich angesichts fehlender Perspektiven das Leben genommen haben. Das ist furchtbar. Für das kommende Jahr habe ich schon einige Pläne. Ich werde das Videoprojekt weiter vorantreiben, ein paar Produktionen stehen ebenfalls schon fest. Die Frage wird sein, wie sich der Live-Sektor entwickelt. Ich gehe davon aus, dass sich die Corona-Situation nur schrittweise entspannt. Wir stehen an letzter Stelle. Ich weiß nicht, wann es wieder Konzerte mit vielen Menschen, die eng aneinander stehen und die Lieder mitsingen, geben wird. Der Festivalsommer hat einen langen Vorlauf, die Bands werden oft bereits direkt nach dem Festival fürs kommende Jahr gebucht. Vielleicht schaffen es einige der großen Veranstalter, 2021 Konzerte auf die Beine zu stellen. Viele dürften es bis zum Sommer jedoch nicht werden. Trotz allem versuche ich, positiv an die Situation heranzugehen. Wir haben vor einiger Zeit einen Bauernhof gekauft und leben dort nun mit zwei weiteren Familien. Wir geben uns gegenseitig Halt und haben uns nicht hängen lassen. Wir haben Zeit, uns um Umbauarbeiten zu kümmern. Und wir können uns intensiv mit unseren Kindern beschäftigen. Das wäre bei einem normalen Jahr ohne Corona mit vielen Reisen und den Touren nicht möglich gewesen. Daher muss ich im Nachhinein sogar sagen, dass die Corona-Pandemie für mich persönlich genau zur richtigen Zeit kam. Ich hatte mir vielleicht ein bisschen zu viel zugemutet und hätte von meiner Seite aus die Notbremse ziehen müssen. Durch Corona hatte ich Zeit für meine Familie, habe die ersten Monate mit meinem Sohn genießen können. Außerdem konnte ich mich so auf die Produktion des Massendefekt-Albums konzentrieren. Es ist gut geworden.