Eine Familie mit 120 Kindern
Seit ihrer Jugend lebt und arbeitet Tanja Leberer im Internat des evangelischen Schulzentrums — heute leitet sie es.
Hilden. „Tanja Leberer, Internatsleiterin“ steht schon geraume Zeit an der Türklingel des Gebäudes auf dem Gelände des evangelischen Schulzentrums an der Gerresheimer Straße. Zum 1. Juli hat die 43-Jährige im vergangenen Jahr diese Position als Nachfolgerin von Hans-Dieter Löhrmann übernommen. Bis zum heutigen Tag musste sie allerdings warten, um auch offiziell in ihr Amt eingeführt zu werden. Diese Aufgabe übernimmt Oberkirchenrat Klaus Eberl, der die Predigt in der Reformationskirche hält.
Zur Amtseinführung hat sie Gäste eingeladen, die ihren Lebensweg begleitet haben — und der spielte sich vor allem in jener Einrichtung ab, die sie heute leitet. „Ich habe eigentlich immer im Internat gewohnt oder gearbeitet — oder beides“, sagt Leberer. Begonnen hat ihre Zeit dort als 16-jährige Schülerin. Sie lebte im Internat, besuchte erst die Wilhelmine-Fliedner-Realschule, dann das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium.
Schon damals war ihr klar, dass sie in ihrem Beruf etwas machen möchte, „um Schülern zu zeigen, wie man lernt“. Dazu bot ihr das Internat die Möglichkeit: mit einer Stelle für ihr Vorpraktikum zum Sozialpädagogik-Studium (samt freier Kost und Unterbringung auf dem Internatsgelände), mit einer Anstellung auf Honorarbasis und neuerdings mit der Beförderung zur Internatsleiterin.
Für die Arbeit mit den rund 120 Schülern im Voll- und Tagesinternat hat Leberer jetzt weniger Zeit. Ihre neue Tätigkeit bedeutet vor allem konzeptionelle Arbeit. Die ist insbesondere von einem wichtigen Grundsatz geprägt: „Wir versuchen immer, Wege für die Schüler zu finden, sich der Bildung zu öffnen“, sagt die Internatsleiterin. Soll heißen: Jedem Schüler werden Möglichkeiten aufgezeigt, das für ihn bestmögliche schulische Ergebnis zu erreichen.
Der Erziehungsplan ist individueller geworden. „Da hat sich gegenüber früher viel geändert“, sagt Leberer. Sie hat es schließlich am eigenen Leib erfahren. Aber auch eine Konstante hat sie in ihrer langen Zeit in der Einrichtung ausgemacht: „Das Internat war und ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.“
Nicht nur des Lebens in Deutschland, die ganze Welt spiegelt sich in der Einrichtung wider. Wann immer auf der Erde eine Gegend zum Krisengebiet wird, schlägt sich das früher oder später auf die Bewohner der Einrichtung nieder: Junge Bootsflüchtlinge aus Vietnam waren dort schon untergebracht, ebenso Kriegsflüchtlinge aus Bosnien, Afghanistan . . .
Einige der heutigen Bewohner sind auch zur Einführungsfeier eingeladen. Am meisten freut sich Leberer allerdings darauf, ihre ehemaligen Mitschüler wieder zu treffen, die sie aus ihrer Jugend kennt. Die gemeinsame Zeit schweißt zusammen. Teilweise sind daraus enge Bindungen entstanden.
„Es ist schließlich etwas anderes, wenn man sich im Bademantel auf dem Flur begegnet“, beschreibt sie die Besonderheit des Internatslebens. Und auch das ist ein Spiegelbild der Gesellschaft: Die Familie hält zusammen — auch wenn es hin und wieder einmal Streit gibt.