Ausstellungseröffnung in der Stadtbibliothek „Na Puppe, was kostest Du?“

Hilden · Die meisten Frauen haben schon einmal sogenanntes Catcalling erfahren. Was das ist und wie man sich dagegen wehren kann, zeigt die Ausstellung „Wir kreiden an“ in der Stadtbibliothek.

Gleichstellungsbeauftragte Kirsten Max setzt sich für Frauen ein, die sexuelle Gewalt erfahren haben.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie steigen abends nach der Arbeit in den Bus, es ist ziemlich voll. Gerade so ergattern Sie den letzten freien Sitzplatz. Während Sie, nach dem langen Tag erschöpft, auf Ihr Handy schauen, bemerken Sie, dass jemand Sie anstarrt. Nach und nach wird der Bus immer leerer. Der Jemand, ein Mann, steht auf und setzt sich neben Sie. Sie fühlen sich unwohl, wissen nicht, was Sie tun sollen. Aufstehen und gehen? Was, wenn ihn das provoziert? Noch ist ja nichts passiert. Da lehnt er sich zu Ihnen herüber und sagt: „Siehst du, wie hart du mich gemacht hast?“

Gleichstellungsbeauftragte haben üble Sprüche gesammelt

Diese Szene beschreibt Henrike Ludes-Loer, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hilden, in ihrem Grußwort zur Eröffnung der Ausstellung „Wir kreiden an – Catcalling ist kein Kompliment. Catcalling ist sexuelle Belästigung“ (bis 9. Dezember) in der Stadtbibliothek. Der Begriff stammt aus der englischen Umgangssprache und bezeichnet sexuell anzügliche Handlungen im öffentlichen Raum, üblicherweise durch Männer gegenüber Frauen. Dass sich solche und ähnliche Situationen auch in Hilden viel zu oft wiederholen, zeigen Postkarten, auf denen Frauen ihre Erfahrungen festgehalten haben. Sie sind das Herzstück der Ausstellung im zweiten Stock der Bibliothek. Auf der Straße, an Schulen, in den Rathäusern hat das SKFM gemeinsam mit den Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Mettmann die Sprüche gesammelt, die Frauen sich täglich anhören müssen.

Viele, teils extrem vulgäre Sprüche sind in der Ausstellung zu sehen. Gibt das nicht den Tätern zum zweiten Mal eine Bühne? „Nein“, findet Eva-Maria Düring, die beim SKFM den Bereich Frauen und Familie leitet. „Die Frauen, die belästigt wurden, denken oft, dass so etwas nur ihnen passiert.“ Die Postkarten zeigen, dass Catcalling allgegenwärtig ist. „Vielleicht stehen Frauen vor einem unserer Aussteller und realisieren zum ersten Mal, dass sie Gewalt erlebt haben“, fügt Düring hinzu.

Dieser Art der sexuellen Belästigung lasse oft ein Gefühl der Hilflosigkeit zurück. Und die Frage: „Warum passiert mir das? Warum darf er das?“ Solche Situationen brennen sich ein, oft genug ändern betroffene Frauen sogar ihr Verhalten im Alltag. Sie meiden bestimmte Orte, fangen an, sich anders anzuziehen, oder gehen sogar seltener aus dem Haus. „Daran merkt man, dass es sich um Gewalt handelt“, sagt Ludes-Loer. „Den Frauen wird ein Stück Freiheit genommen.“

Andere europäische Länder haben Catcalling unter Strafe gestellt

Deshalb haben die Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Mettmann sich in diesem Jahr dem Thema Catcalling gewidmet. Außerdem beträfe es besonders viele Menschen. In einer Onlinebefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen gab mehr als die Hälfte der Befragten an, in den vergangenen drei Monaten sexuell belästigt worden zu sein. 40 Prozent gaben an, aus Angst vor Catcalling bestimmte Örtlichkeiten zu meiden.

Im Gegensatz zu Ländern wie Portugal, Spanien, den Niederlanden und Frankreich, wo Catcalling in extremen Fällen mit einer Geldstrafe von bis zu 1500 Euro geahndet werden kann, ist diese Form der sexuellen Belästigung in Deutschland nicht strafbar. Die Frauenberatungsstelle des SKFM hat Strategien zum Umgang mit Catcalls zusammengestellt. In Einzelberatungen und Selbstbehauptungstrainings in der Gruppe wird Betroffenen Hilfe angeboten. Besonders wichtig sei es, auf die eigene Sicherheit zu achten. „In manchen Situationen kann es der richtige Weg sein, den Spruch zu ignorieren oder den Ort zu verlassen“, empfiehlt der SKFM. „Manchmal ist es aber auch wichtig, aktiv zu werden und damit aus der Opferrolle herauszutreten.“ Dabei können Betroffene den Catcaller direkt mit seinem Verhalten konfrontieren oder mit Ironie reagieren. Wer sich unsicher fühlt, sollte sich Unterstützung holen und andere Personen, die in der Nähe sind, einbeziehen. Ist die Situation bedrohlich, kann außerdem die Polizei gerufen werden.

Die Beratungsstelle kann dank ihrer Hilfestellungen bereits Erfolge verzeichnen. „Wir hatten eine Mutter da, die sich wegen Catcalling nicht mehr getraut hat, aus dem Haus zu gehen“, erzählt Düring. „Seit sie im Ressourcentraining ist, schnappt sie sich jedes Wochenende ihr 49-Euro-Ticket und macht mit ihren Kindern einen Ausflug.“