Solinger Kindesmord Anwalt sucht nach Beweisen für „Auftragskiller“

Analyse | Solingen/Haan · Seit Prozessbeginn bestreitet die 28-jährige Solingerin, fünf ihrer sechs Kinder getötet zu haben. Mit den jetzt gestellten Beweisanträgen will die Verteidigung mögliche Ermittlungsfehler ausschließen und auf Versäumnisse aufmerksam machen.

Die 28-jährige Solingerin vor dem Landgericht.

Foto: dpa/Oliver Berg

Einer der drei Verteidiger der wegen der Tötung von fünf ihrer sechs Kinder angeklagten Mutter aus Solingen hält es für möglich, dass der Vater der vier jüngsten Kinder – er ist Haaner – den Mord in Auftrag gegeben haben könnte. Das Motiv: Der Mann habe sich möglicherweise der Unterhaltsverpflichtungen entledigen wollen, um mit seiner neuen Partnerin ein neues Leben beginnen zu können.

Thomas Seifert hat nun zu diesem Zweck die Beschlagnahmung sämtlicher Kontoauszüge des Kindsvaters beantragt, um überprüfen zu können, ob größere Geldbeträge zur Entlohnung eines „Auftragskillers“ abgehoben wurden. Der Beweisantrag liegt dem Gericht vor, gefordert werden darin weitere Gutachten zu DNA und Faserspuren.

Seifert geht noch weiter: „Sollte sich fremde DNA an der Kleidung der Kinder oder an den Leichnahmen finden lassen, würde ich den Freispruch meiner Mandantin fordern.“ Warum der Anwalt erst jetzt – also nach mittlerweile 15 Verhandlungstagen in dieser Sache tätig wird – sagt er auch: „Die Angeklagte hat den angeblichen Täter vor wenigen Tagen im Gespräch mit dem Gutachter erstmals detailliert beschrieben.“

Bereits zu Prozessbeginn hatte die 28-Jährige bestritten, die Tat begangen zu haben. Schon damals hatte sie von einem „fremden Mann“ gesprochen, der in ihre Wohnung eingedrungen sei und die Kinder getötet habe. Nach dem Aussehen und weiteren Details hat bislang niemand gefragt – nicht im Gerichtssaal, und offenbar auch nicht in den polizeilichen Vernehmungen. Stattdessen hatten sich die Ermittler bereits am Tag nach der Tat auf die Mutter der Kinder als Tatverdächtige festgelegt. Begründet habe man das mit einem „Gefühlsstau“.

Polizei hatte gesagt, gegen den Vater bestehe kein Verdacht

Dass in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft zudem früh gesagt wurde, dass gegen die drei Kindsväter kein Tatverdacht bestehe, hält der Verteidiger für eine vorschnelle Festlegung. Man müsse nicht selbst vor Ort sein, um jemanden umzubringen. Seifert, selbst Mitglied im belgischen Ethikrat, sieht jedenfalls Ermittlungsfehler.

Die Kleidung der Kinder aus dem Badezimmer sei zwar asserviert worden, nach fremden DNA-Spuren habe aber niemand gesucht. Auf die Haut der toten Kinder seien Folien aufgelegt worden, um Spuren zu sichern – eine Begutachtung sei auch hier ausgeblieben. Mehrfach habe er die 2000 Seiten umfassende Akte durchgeschaut, um sicherzugehen, selbst nichts übersehen zu haben. „Ermittlungsfehler gehen meist zu Lasten der Beschuldigten“, erklärt Thomas Seifert, warum er nun den Vater der vier jüngsten Kinder in den Fokus der juristischen Beweisaufnahme rückt.

Dieser habe am Morgen der Tat per WhatsApp angekündigt, sich von seiner Frau trennen zu wollen, um mit seiner neuen Freundin ein neues Leben anzufangen. Der Neubeginn wäre verbunden gewesen mit einem monatlichem Unterhalt für vier Kinder von mehr als 1600 Euro. Das sei schwierig für jemanden, dem vermutlich nur das bleibe, was unterhalb der Pfändungsgrenze liege, glaubt Thomas Seifert. „Das Motiv springt einen an“, sagt er – und es hätte zu Beginn der Ermittlungen auch die Staatsanwaltschaft beschäftigen sollen.

Dass der Anwalt selbst den Kindsvater in seinem Beweisantrag für tatverdächtig hält, bedeute aber nicht, dass der den Mord tatsächlich in Auftrag gegeben habe. Es gehe vielmehr um Versäumnisse in der Beweisaufnahme und darum, das Gericht auf seine Aufklärungspflicht hinzuweisen. „Das Gesetz zwingt mich dazu, einen Beweisantrag auf diese Weise zu begründen“, stellt er klar.

Auf der anderen Seite gibt es auch genügend Hinweise, die die 28-Jährige belasten. In einem WhatsApp-Chat an ihren Mann soll sie am Vormittag des Tattages geschrieben haben: Die Kinder sind tot und ich gleich auch. Thomas Seifert liest darin kein Schuldeingeständnis, sondern eine Feststellung.

Klar sei auch, dass die Nachricht nach dem Tod der Kinder geschrieben worden sei und nicht als Ankündigung einer geplanten Tötung missverstanden werden könne.

Eigentlich sei es nicht seine Aufgabe, die Staatsanwaltschaft zum Jagen zu tragen – und dennoch müsse in alle Richtungen ermittelt werden. Denn auch für seine Mandantin gelte bis zum Schuldspruch die Unschuldsvermutung.