Stadt braucht die Gewerbesteuereinnahmen
Die Gewerbesteuer wird angehoben. Ein niedriger Steuersatz muss nicht der einzige Standortfaktor sein, der Firmen anlockt.
Haan. Viele Jahre lang hat Haan sein wirtschaftsfreundliches Image gepflegt, warb mit einer niedrigen Gewerbesteuer und verfolgte eine Politik der niedrigen Hebesätze. Unvorstellbar, dass es Zeiten gab, in denen sich die Stadtspitze und die Politiker im Rat sorgten, weil Langenfeld ankündigte, den Haaner Gewerbesteuerhebesatz deutlich unterschreiten zu wollen, um einen Konzern ins Stadtgebiet zu locken.
Der damalige Hauptgewerbesteuerzahler in Haan war eine Briefkastenfirma, die jederzeit ihr Büro hätte ausräumen und ihren Firmensitz verlagern können. Dieser potente Steuerzahler hat Haan längst verlassen und der Stadtrat seine Scheu verloren, „die heilige Kuh Gewerbesteuer“ als unantastbar zu verstehen.
Haan kann es sich schlicht und einfach nicht mehr leisten, auf Einnahmen zu verzichten. Zur Erinnerung: In den vergangenen Jahren wurden Millionenprojekte gestemmt, die Grundschule Mittelhaan ebenso neu gebaut wie große Teile der Feuerwache. Aktuell erhält das Schulentrum Walder Straße eine neue Mensa, und das Gymnasium soll neu gebaut werden — für etwa 25 Millionen Euro. Da liegt es auf der Hand, dass zur Finanzierung dieser Projekte jeder Cent gebraucht wird. Und weil die Gewerbesteuer nach wie vor die Haupteinnahmequelle der Gemeinde ist, liegt es nahe, sie zu erhöhen.
Wenn der Stadtrat Anfang Juni den Haushalt für das laufende Jahr verabschiedet, wird das auch eine Anhebung der Gewerbesteuer von aktuell 385 auf dann 411 Prozentpunkte beinhalten. Haan liegt dann aber immer noch unter den sogenannten Hebesätzen von Erkrath (2012: 420), Solingen (2012: 475 Prozentpunkte), Wülfrath (2012: 440) und Wuppertal (2012: 460). Aktuell bedeutet die Erhöhung eine geplante Mehreinnahme von 690 000 Euro in 2013 und ermöglicht die Genehmigung des Haushalts durch den Landrat.
Dabei setzt die Stadt nicht nur auf Steuererhöhungen. Mit der Entwicklung des Technologieparks Haans, des neuen Gewerbegebiets an der Millrather Straße in Gruiten, versucht sie weiterhin, sich aus der Abhängigkeit von einigen wenigen Unternehmen zu befreien und stattdessen Einnahmen von ganz unterschiedlichen Firmen mit Sitz in Haan zu erhalten. Ob es heute ein Glück ist, dass Johnson Controls die Zusage, seine Europazentrale von Burscheid nach Haan verlegen zu wollen, zurücknahm, ist schwer zu sagen. Fakt ist: Bereits im kommenden Jahr schließt der Automobilzulieferer sein Werk in Grefrath, macht laut eigener Aussage deutschlandweit monatlich sieben Millionen Euro Verlust.
Bei der Ansiedlung neuer Firmen ist die Gewerbesteuer immer ein Thema, aber nicht immer ausschlaggebend, wie es aus dem Amt für Wirtschaftsförderung heißt. Setze ein Unternehmen auf eine gute Anbindung an die Autobahn, rücke die Höhe des Hebesatzes an zweite Stelle.
Dass es auch ganz anders geht, beweist aktuell Monheim. Die Stadt hat mit 300 Prozentpunkten den mit Abstand niedrigsten Hebesatz in NRW und kann in diesem Jahr geschätzte Einnahmen von 250 Millionen Euro verbuchen. Möglich machten das Gewerbesteuernachzahlungen, die nicht nur den städtischen Haushalt ausglichen, sondern auch den Stadtrat zu der mutigen Entscheidung veranlassten, den Gewerbesteuerhebesatz um mehr als 100 Prozentpunkte zu senken.