Ukrainerin lebt jetzt in Hilden Geflüchtete aus der Ukraine unterrichtet jetzt Deutsch
HILDen/Haan · Natalia Siryk ist mit ihre zwölfjährigen Tochter Sofia und Katze „Kätti“ vor sechs Wochen vor dem Bombenhagel aus der Ukraine geflüchtet. Jetzt unterrichtet sie ihre Landsleute in Deutsch.
Erst seit sechs Wochen ist Natalia Siryk in Deutschland. Seit Anfang März arbeitet die Ukrainerin für die Volkshochschule Hilden-Haan als Deutschlehrerin. „Das ging dank der Unterstützung von zwei Mitarbeiterinnen vom Sozialamt (Andrea Schoder) und der Volkshochschule (Vanessa Gersonde-Löcher) für deutsche Verhältnisse ganz schnell“, erzählt sie. Ihre geradezu perfekten Deutschkenntnisse spielten dabei eine Rolle.
Auch die Willkommenskultur, die ihr hier als vor dem Krieg Geflüchtete begegnete, widersprächen manchen Vorurteilen: „Deutsche Menschen zeigen in der Not ihr Herz.“ Siryk kann das beurteilen, weil sie als Kind 1980 für fünf Jahre in Altenburg, damals DDR-Gebiet, mit ihren Eltern und einem jüngeren Bruder lebte. Dann ging es zurück in ihre Geburtsstadt Shitomir, die 130 Kilometer westlich der Hauptstadt Kiew liegt. „Wir haben so viel erlebt. Sowjetunion, Perestroika, die Souveränität der Ukraine.“
Damals war sie noch ein Teenager, ging zur Gesamtschule, studierte später fünf Jahre Deutsch und Weltliteratur. „Mein Urgroßvater mütterlicherseits stammte aus Deutschland“, erklärt die 46-Jährige die sprachliche Affinität. Seit 1997 arbeitete sie als Deutsch-Lehrerin in einer von 33 Gesamtschulen ihrer Heimatstadt, in der rund 300 000 Menschen leben.
Wo eigentlich sprachlich die Unterschiede zum Russischen liegen?: „Die Ukrainer verstehen Russisch und viele sprechen es auch. Umgekehrt gilt das nicht.“ Polnisch sei sprachlich mehr verwandt. Traditionen und sehr enger Familienzusammenhalt sind darüber hinaus für Natalia Siryk wesentliche Kennzeichen der Menschen ihrer Nation.
„Wir sind auch sehr tüchtig.“, sagt sie – nicht ohne Stolz. Schon mit 13 Jahren hat sie als Schülerin nebenbei in einem Kindergarten geholfen. Auf bald 40 Jahre Arbeitsleben blickt sie zurück. „Als ich hierherkam, wollte ich einfach weiterarbeiten.“
Über Krieg und Flucht zu sprechen, fällt ihr nicht leicht. Als am 1. März Raketen die Nachbarhäuser trafen, suchte die alleinerziehende Mutter mit ihrer zwölfjährigen Tochter Sofia und der Katze „Kätti“ im Keller Schutz. „Wir haben nach dem Sirenen-Alarm nur die Schuhe und Medikamente gegriffen.“ Für die Kinder gab es ein Betten-Lager. Die Tage und Nächte waren kalt. „Ich wollte nicht weg von zuhause. Meine Eltern leben dort. Mein Vater ist 75, meine Mutter 72. Aber ich musste mein Kind beschützen.“
Auch Katze „Kätti“ hat
ein neues Zuhause gefunden
Natalia und Sofia flüchteten per Bus über das polnische Lemberg nach Düsseldorf, wo sie in der Nacht zum 6. März ankamen. „Dort trafen wir so nette Menschen, die helfen wollten. Einige kamen auch aus Hilden.“ Nicht nur die zwei Ukrainerinnen haben eine private Unterkunft im Süden der Stadt gefunden, sondern auch „Kätti“. Das ist ein besonderes Glück, denn in städtischen Wohnheimen sind Tiere verboten. „Wir haben ein Zimmer und Bad für uns. Das ist großartig. Und wir waren überwältigt von der Hilfe, auch von den Nachbarn, die uns von Katzenfutter bis zu Kleidung für die Tochter so viel schenkten.“
Für die Frau aus der Ukraine ist Deutschland nicht wirklich fremd. Sie hat in ihren Berufsjahren als Lehrerin viel Kontakt hierher geknüpft. „Ich habe durch meinen Beruf an Kulturprojekten mitgearbeitet, zum Beispiel am Jugendaustausch im Rahmen der Integrationsarbeit des Kreis Mettmann letztes Jahr.“ Bis zu den Osterferien hat sie zweimal die Woche jeweils zwei Stunden zwei Gruppen ihrer Landsleute, insgesamt 50 Erwachsene, im Fach Deutsch an der Volkshochschule unterrichtet. „Die Menschen brauchen bei all den Nachrichten aus der Heimat auch hier eine Art Alltag. Dann grübeln sie nicht so viel darüber, was gerade zuhause passiert.“
Je schneller sich Flüchtlinge hier zurecht fänden, desto besser gelinge Integration. Ihre Arbeit als Sprach-Lehrerin trägt dazu bei. „Wir haben keine Barriere. Ich bin ja eine, die aus der Heimat kommt.“
Siryk vermittelt im Unterricht aber auch ganz Praktisches wie die Notwendigkeit einer postalischen Adresse, um amtliche Schreiben empfangen zu können. Die Mehrheit der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hätten den Wunsch, wieder in die Heimat zurück zu gehen. „Vielleicht wollen eher die Jüngeren bleiben“, mutmaßt die 46-Jährige.
Ganz persönlich zeigt die kluge und gläubige Frau gerade zur Oster-Zeit auch Gefühle: „Ich fühlte mich anfangs schuldig, dass ich geflohen bin. Dann habe ich nachgedacht. Ich mache auch hier einfach das weiter, was ich kann. Und ich habe wie so viele Frauen mein Kind in Sicherheit gebracht, damit die Männer für unser Land kämpfen können. Damit es irgendwann wieder Frieden gibt.“