Ruhestand „In 40 Jahren Schule hat sich viel verändert“

Interview Die Leiterin der Richrather Grundschule über ihren bevorstehenden Abschied.

„Wichtig war und ist, dass Kinder ihre Persönlichkeit nicht an der Schultüre abgeben müssen“, nennt Lydia Jüschke einen ihrer Grundsätze.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Frau Jüschke, hat sich Grundschule in „Ihren“ vier Jahrzehnten sehr verändert?

Lydia Jüschke: Insgesamt schon, für mich persönlich weniger. Nach dem Start in einer kleinen Schule in Wülfrath mit gutbürgerlichem Einzugsbereich arbeitete ich ab den 80er Jahren 14 Jahre lang an einer Grundschule in Monheim, zwischen den Hochhäusern im Berliner Viertel einerseits und gehobener Wohnbebauung am Rande. Vielfältige Formen der Migration, Kinder ohne deutsche Sprachkenntnisse, fremde Kulturkreise, bildungsferne und -nahe Elternhäuser, der Zwang zur Differenzierung und so weiter waren für uns die täglichen Herausforderungen, denen sich manche Kollegen und Schulen erst 20 Jahre später gegenübersahen. Geschafft haben wir das vor allem dank eines guten, sich stützenden Kollegiums. Wir sahen uns nicht als Konkurrenten, wir zogen an einem Strang und achteten auf uns. Dieser Zusammenhalt ist mir in allen Kollegien, mit denen ich zusammenarbeitete, ein wichtiges Anliegen gewesen.

Welche besonderen Erinnerungen an Ihre Richrather Schule Götscher Weg werden bleiben?

Jüschke: Hier entwickelte sich sehr früh der an Grundschulen heute übliche Ganztagsbetrieb. Mit engagierten Eltern schufen wir einen Verein, dessen Mitglieder sich ehrenamtlich um eine Mittagsbetreuung kümmerten. Daraus erwuchs unsere Offene Ganztagsschule – wie überall im Land. Später entwickelten wir ein Konzept für Ganztagsklassen. Im rhythmisierten Ganztag mit einer langen Mittagspause bieten Lehrkräfte und Betreuer gemeinsam den Ganztagskindern Lern-, Spiel- und Übungszeiten. An die gute Zusammenarbeit von Schule und Betreuung erinnere ich mich sehr gerne. Ich danke meinem Team auch dafür, dass es sich sehr darum kümmerte, dass die Kinder ihre Persönlichkeit nicht an der Schultür abgeben mussten, dass sie sich in ihren Gruppen ihren Fähigkeiten entsprechend entwickeln können, aufeinander achten und sich unterstützen.

Hat sich die Arbeit mit den Eltern verändert?

Jüscke: Jein, die schulische Entwicklung setzt immer einen Kontakt auf Augenhöhe mit den Eltern voraus. Wir wissen, dass die Eltern ihre Kinder kennen, aber wir Lehr- und Betreuungskräfte sind die Experten, wenn es darum geht, diese Individuen für die Gesellschaft fit zu machen. Wir kümmern uns darum, dass in Klassen oder Gruppen mit Freude und ohne Angst vor Fehlern gelernt wird. Wir erleben aktuell vermehrt übertriebene Erwartungen, etwa was – auch im Ganztag – die ständige Beaufsichtigung der Kinder angeht.

Was haben Sie sich für Ihren bevorstehenden Ruhestand vorgenommen?

Jüschke: Ich habe keine bewussten Pläne, außer mehr Spaziergänge und Reisen in der ferienfreien Zeit. Mittelfristig werde ich mich weiter ehrenamtlich in der Kirchengemeinde engagieren. Es ist gut vorstellbar, dass ich zum Vorlesen oder für konkrete Hilfestellungen auch wieder in einer Schule anzutreffen bin.