Die große Freiheit über den Wolken

Sobald es das Wetter zulässt, erfüllen sich Carsten Richartz und Jürgen Blome ihren ganz persönlichen Traum. Mit einem Segelflieger genießen sie die große Freiheit.

Foto: Matzerath

Kreis Mettmann. Nicht alles so erdenschwer nehmen, das ist für Piloten viel leichter als für uns Bodenmenschen. Mal eben den obligatorischen Fallschirm gepackt, rein ins Flugzeug, sich vom Schlepper in die Lüfte ziehen lassen und dann, wenn alles hoch und weit genug ist, abnabeln und sanft mit den Aufwinden segeln. Jürgen Blome von der Luftsportgemeinschaft Erbslöh kann das nur bestätigen. Sein Flieger-Kollege Carsten Richartz auch: „Es stimmt, was Reinhard Mey gesungen hat. Wenn man oben ist, sind die Sorgen weg.“

Foto: Andreas Henckels

Mal abgesehen davon, dass man mit 20 wohl noch nicht die allermeisten Sorgen hat oder haben sollte — wenn ein ganz junger Pilot wie Richartz noch weiß, was ein Liedermacher 1974 zum ersten Mal gesungen hat — „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ — dann muss da einfach etwas dran sein, an der zumindest zeitweise schrankenlosen Freiheit.

Jürgen Blome, Segelflieger

Aber wie immer im Leben: Man muss mit dieser Freiheit umgehen können, weshalb auch Segelflieger Regeln beachten und Flugscheine machen müssen, um der Erdenschwere zu entkommen. Für Carsten Richartz, dessen Mutter und Vater Flieger sind, und der Großvater übrigens auch, lag es nahe, der großen Versuchung, die das Fliegen seit jeher darstellt, schon recht früh zu erliegen. So kam es, dass sein persönlicher Streckenrekord jetzt schon bei 650 Kilometern liegt — längste persönliche in einem Stück geflogene Strecke — und dass er derzeit dabei ist, Fluglehrer zu werden.

Jürgen Blomes Hobbyflieger-Karriere begann etwas ungewöhnlicher: Weil er im jugendlichen Alter seine Modellflugzeuge regelmäßig unfreiwillig im Boden versenkte, beschloss sein Vater, dass der Junge das Fliegen einmal von der Pike auf lernen und einen Flugschein machen sollte. „Fliegen macht süchtig, wurde ich damals von meinem Fluglehrer gewarnt. Der Mann hatte Recht“, erzählt Blome (65). Er genießt es, beim Fliegen das Tempo zu spüren (250 bis 300 Kilometer pro Stunde sind drin) und mangels Motorgeräusch nur den Wind zu hören, sich der Natur ganz nahe zu fühlen. Mittlerweile bevorzugt er aber doch Segelflugzeuge, die auch einen Motor haben. Deutliches Naserümpfen von Jungpiloten wie Carsten Richartz, die solche Modelle „Altherrenflieger“ nennen.

Denn Richartz liebt das durch die Thermik, durch das Nutzen natürlicher Aufwinde mögliche Segelfliegen, weil es eine taktische Form des Fliegens ist, von Schäfchenwolke zu Schäfchenwolke oder Cumuluswolke zu Cumuluswolke, wie die Flieger sagen. Das sei, mal abgesehen von der absolut atemberaubenden Aussicht, etwa auf sonnenbeschienene Berge im Bergischen Land, der Reiz. Nur Laien sind stets verblüfft darüber, dass ein Segelflugzeug mit seinem doch nicht unerheblichen Gewicht stundenlang in der Luft bleiben, dabei mehrere hundert Kilometer zurücklegen (der Weltrekord soll derzeit bei 3000 Kilometern liegen) und am Ende wieder den Heimatflughafen erreichen kann. Für Segelflieger, die oben oft gefiederte Gesellschaft in Gestalt von Bussarden oder Adlern haben, die ihre Nähe suchen, vom Sog des Flugzeugs profitieren und dabei gerne auch Blickkontakt suchen, ist es keine Zauberei, sondern Handwerk, das neue, luftige Perspektiven eröffnet.

Die Erdenschwere, so die Flieger, hat einen dann schon früh genug wieder.