Streik bei Esprit Ratinger Esprit-Mitarbeiter streiken und fordern Tarifvertrag

Ratingen · Vor dem Esprit-Outlet in Ratingen versammelten sich gestern Mitarbeiter, um ihrer Forderung nach einer Rückkehr in die Tarifbindung Nachdruck zu verleihen. Verhandlungen mit dem Konzern sind für den 26. April anberaumt.

Mitarbeiter des Esprit-Outlets am Voisweg ziehen zur Hauptverwaltung. Sie fordern eine Rückkehr in den Tarifvertrag.

Foto: Achim Blazy (abz)

Besucher des Esprit-Outlets am Voisweg wurden gestern von Mitarbeitern in leuchtenden Westen und mit Plakaten empfangen. „Ohne uns kein Handel, ohne uns kein Geschäft“ oder „Esprit Ratingen – wir sind es wert“ war zu lesen. Die Kollegen mehrerer Standorte (Oberhausen, Münster und Düsseldorf) fordern mit einem Streik die Rückkehr in die Tarifbindung.

„Wir sind nicht einverstanden, dass das Unternehmen Euch in die Tasche greift, statt bei sich selbst anzufangen“, so Verdi-Gewerkschaftssekretärin Miriam Jürgens und erntet Zustimmung von der Belegschaft.

Esprit hat einen ordentlichen Schlingerkurs hinter sich. Ohnehin finanziell angeschlagen, traf Corona die Modekette mit voller Wucht. Betriebsrätin Margarete Mayer erinnert sich: „Im März 2020 beantragte das Unternehmen ein Schutzschirmverfahren, wenig später wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.“ Ende 2020 schien Esprit wieder in ruhigeres Fahrwasser einzubiegen. Das Insolvenzverfahren wurde aufgehoben, Esprit schrieb wieder schwarze Zahlen. Dann folgte die Nachricht, dass mit dem neuen Großaktionär die Konzernzentrale nach Hongkong umzieht.

Auf der Strecke blieben die Mitarbeiter. „Rund 50 Prozent der Standorte sind innerhalb weniger Jahre geschlossen worden“, so Betriebsrätin Petra Adrian. Mehr als 1000 Arbeitsplätze fielen der Umstrukturierung des Unternehmens zum Opfer. Im Zuge der Neuausrichtung kündigte Esprit den Tarifvertrag für die Mitarbeiter auf. „Damit sind die Gehälter der Kollegen bundesweit auf dem Niveau von 2020 eingefroren“, konstatiert Miriam Jürgens.

Ein Fakt, der gerade jetzt besonders wehtut. Anette Bohn und Christian Röth (ebenfalls Betriebsräte) erklären: „Nach Corona und bedingt durch den Krieg in der Ukraine sehen wir uns akut steigenden Kosten gegenüber. Während Tarifgehälter in den Monaten seit dem Esprit-Austritt um 4,7 Prozent gestiegen sind, verzichten wir seit eineinhalb Jahren auf Geld, obwohl der Konzern wieder Gewinne einfährt.“

Es geht auch um Standort-
und Personalsicherung

Mehr Geld ist nicht die einzige Forderung, die die Esprit-Mitarbeiter an die Konzernleitung haben: „Es geht um Standortsicherungen, Personalsicherung, um Leistungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und die Anzahl der Urlaubstage – um Sicherheit für die Arbeitnehmer“, so die Betriebsräte. Konkrete Bedenken, dass das Outlet in Ratingen geschlossen wird, haben die Mitarbeiter nicht, aber: „Wir befürchten eine weitere Kürzung des Personals“, so Jürgens. Inzwischen sei die Zahl der Mitarbeiter von 200 auf 128 reduziert worden. Kollegen aus Düsseldorf (Filiale Shadowstraße), die sich der Kundgebung angeschlossen haben, sehen sich in einer deutlich prekäreren Lage: Für die Filiale gibt es Schließungspläne.

Esprit bestätigt: „Für das Outlet in Ratingen besteht weiterhin ein langjähriger Mietvertrag.“ Zum Arbeitskampf will sich das Unternehmen nicht äußern: „Wir befinden uns derzeit in konstruktiven Gesprächen mit Verdi und den Betriebsräten und würden dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen nicht vorgreifen wollen“, heißt es in einer Stellungnahme.

Der Zeitpunkt des Streiks ist nicht zufällig gewählt. Am Dienstag, 26. April, steht die nächste Verhandlungsrunde der Bundestarifkommission von Esprit mit der Unternehmensleitung auf dem Plan. „Wenn man nicht kämpft, passiert auch nichts“, sagt Margarete Mayer. Verdi-Verhandlungsführerin Silke Zimmer erklärt: „Seit über einem Jahr fordern die Beschäftigten bei Esprit eine Rückkehr ihres Unternehmens in die Tarifbindung. Denn nur durch geltende Tarifverträge sind existenzsichernde Entgelte garantiert und die Beschäftigten vor Altersarmut geschützt.“ „Wir vermissen eine langfristige Strategie“, so Christian Röth. „Mitarbeiter weisen seit Jahren auf Mängel und Missstände hin. Aber wir werden einfach nicht gehört.“ Für die Belegschaft ist nicht nachzuvollziehen, dass sie trotz finanzieller Konsolidierung des Unternehmens weiter auf die Tarifbindung verzichten sollen. „Es kann nicht sein, dass Firmenpolitik immer auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird.“