Geschichtszeitung für Ratingen: Historisches ganz druckfrisch
Das Stadtarchiv hat die erste Geschichtszeitung für Ratingen herausgegeben. Vor allem jüngere Leser sollen erreicht werden.
Ratingen. Johann Gottfried Brügelmann will keine Industriespionage betrieben haben. Eltern waren um 1700 mächtig in Aufruhr, weil ihre Neugeborenen mit platten Daumen zur Welt kamen.
Und eine Ehefrau schrieb an die Stadtverwaltung, weil ihr Mann zu faul war. Die Beamten sollten einschreiten und ihr helfen.
Teilweise klingen die Geschichten zu komisch. Aber sie haben sich genauso ereignet. „Sie basieren auf historischen Quellen und beruhen auf Fakten“, sagt die Leiterin des Stadtarchivs Erika Münster-Schröer.
Nachzulesen sind die Geschichten in einer neuen Publikation des Stadtarchivs. Es ist eine Zeitung mit dem Titel „von früher: Die historische Zeitung für Ratingen“. Sie liegt derzeit schon im Medienzentrum aus. Demnächst soll sie auch in den Stadtteilbibliotheken erhältlich sein sowie in den Seniorentreffs. „Aber auch Schulen sollen die Zeitung bekommen, damit Stadtgeschichte einmal anders unterrichtet werden kann.“
Münster-Schröer hat als Stadtarchivarin jahrelang Urkunden, Bücher, alte Zeitungsartikel und andere historische Quellen gesichtet und einige Themen der Stadtgeschichte ausgesucht.
Die Idee zur Zeitung reifte bereits 2006. „Doch es war schon ein wenig Überredungskunst in den politischen Gremien notwendig, um das Projekt realisieren zu können“, sagt Kulturdezernent Dirk Tratzig. Manche im Ausschuss hätten Bedenken geäußert. „Da gab es schon die ein oder andere Stimme, Geschichte könne nicht mit Spaß vermittelt werden, sondern müsse hart erarbeitet werden.“
Dennoch: Nach einigen Diskussionen konnten sich die Politiker doch durchringen. Und die Zeitung ging in Arbeit. Investitionskosten: 10 000 Euro. „Dabei war uns klar, dass wir einen anderen Zugang zur Geschichte schaffen wollten. Es sollte nicht die chronologische Abhandlung von Daten und Ereignissen sein, die geschehen sind“, sagt Tratzig.
Und so sei die Idee gereift, eine Geschichtszeitung zu schreiben, die Geschichten aber so zu erzählen, als seien sie gerade erst aktuell geschehen. „Wir wollten die Stadtgeschichte frischer wiedergeben und damit vor allem auch jüngere Leute ansprechen, von denen viele Geschichte ja sonst eher öde finden.“
Umgesetzt hat die Idee neben Münster-Schröer die Autorin Barbara Underberg. „Die Arbeit war eine Herausforderung für mich, weil die Quellen teilweise in mittelhochdeutsch oder niederhochdeutsch geschrieben waren“, sagt sie.
Da habe sie sich erst einarbeiten müssen. „Und manches Thema wie die Nutzung des Rathauses für Gottesdienste Reformierter Protestanten im Jahr 1611 war schon sehr schwierig. Ich bin ja keine Historikerin. Ich musste mich da sehr in die Fakten einarbeiten.“
Und das ist ihr gelungen: Insgesamt 15 Seiten mit verschiedenen Artikeln zur Stadtgeschichte Ratingens sind herausgekommen. Seite 16 zeigt dann noch eine Chronik, in welchem Jahr welches Ereignis geschehen ist.
Und wie es sich für eine richtige Zeitung gehört, wurde die Geschichtszeitung nicht chronologisch nach Daten in Kapitel eingeteilt, sondern nach Themenressort. Kommentare und Interviews gibt es ebenso wie nüchterne Berichte oder Meldungen.
Zu diesen gehört auch die über die Einführung der Sperrstunden um 22.30 Uhr durch die französischen Besatzer 1921. Und der Leser erfährt, dass es spezielle Formen der Bestrafung gab für alle, die zu lange aus gingen: Die Nachteulen mussten Wagen waschen und Kartoffeln schälen.