Rund 1000 Bewerber kommen zu Casting

Für den Kinostreifen „Gut gegen Nordwind“ mit Nora Tschirner wurden Kandidaten im Relexa Hotel in der Innenstadt fotografiert.

Ratingen. Die junge Frau mit den langen dunklen Haaren, dem ebenmäßigen Gesicht und den strahlend weißen Zähnen hat sich in Schale geworfen, sie trägt ein hautenges blaues Kleid aus Pannesamt. So wie sie aussieht, könnte Shenandoan Abel auch an einem Modelcasting teilnehmen, aber es geht ausschließlich um kleine Statistenrollen. „Ich bin extra aus der Eifel angereist“, erzählt die 21-Jährige, während sie den ausführlichen Castingbogen ausfüllt, „ich habe bereits einmal als Komparsin mitgemacht, das war toll, und da ich eine private Schauspielausbildung habe, nehme ich derzeit alles an Möglichkeiten mit, die sich beim Film oder Fernsehen ergeben.“

Foto: Achim Blazy

Auch Alois Neumair hat einige Kilometer auf sich genommen, um sich die Chance auf eine winzige Nebenrolle zu ergattern. Der Münsteraner ist ein alter Hase im Casting-Business, war bereits in einigen Folgen von Tatort oder Wilsberg zu sehen. „Erst gestern war ich bei Rewe, und da hat mich eine Frau angesprochen, ob sie mich nicht aus dem Fernsehen kennt“, erzählt der rüstige 70-Jährige schmunzelnd, „Autogramme musste ich aber noch nicht schreiben“.

Gregor Weber von der Castingagentur Eick klopft dem älteren Herren anerkennend auf die Schulter, „er ist einer unserer Besten in unserer Kartei, der Alois“, schmeichelt der Fachmann, und beobachtet weiter von oben die schier nicht endende Schlange der rund 1000 wartenden Bewerber: Kinder und Senioren, Leute mit Rastalocken, Männer im edlen Zwirn, Frauen in Abendkleidern, junge, perfekt geschminkte Frauen, coole Typen in Turnschuhen. Viele vertreiben sich die stundenlange Wartezeit geduldig mit dem Handy, quatschen, rauchen draußen auf der Straße.

„Elena, hallo“, ruft Gregor Weber einer Frau in weißem Kleid zu, „schön dass du da bist“ oder „Hey Klaus, wie geht’s, du hast aber eine lange Fahrt auf dich genommen.“ Viele der Menschen kennt der 39-Jährige bereits von anderen Castings. „Wir führen alle Castings für die nordrhein-westfälischen Tatorte und jede Menge Castings für deutsche Kinofilme durch, da sind schon einige dabei, die man wirklich als Berufsstatisten bezeichnen kann“.

Gregor Stitzl, Regieassistent

Ein junges Mädchen, Paulina, will eigentlich nur eine Freundin begleiten, sie selbst „sei zu schüchtern“, sagt sie auf Anfrage des anwesenden Regieassistenten, der auch letztlich die Entscheidung für oder gegen einen Bewerber trifft. Gregor Stitzl aber lässt nicht locker. „Du hast ein sehr ausdruckstarkes Gesicht, du hast das Besondere, wie und in welcher Form man Dich einsetzen kann, ist noch nicht klar, aber bitte, lass dich casten.“

Die 17-jährige willigt ein, füllt den Bogen aus und bekommt eine Nummer zugeordnet, so wie auch Shenandoan. Danach geht es vor eine weiße, professionell ausgeleuchtete Leinwand, ein Fotograf schießt ein Foto, das war es auch schon. Auch die achtjährige Leana möchte einmal in einem Film mitspielen („am Liebsten mal an der Seite von Elias M’Barek“), genauso wie ihre 13-jährige Schwester Letitia, und auch Papa Sascha Keusen hätte Spaß daran: „Wäre doch klasse, einfach mal zu sehen, wie das so abläuft am Set“, sagt der Ratinger, „aber wenn es nicht klappt, ist das auch kein Untergang.“

Von Anfang Mai bis Anfang Juni wird in Düsseldorf gedreht, in den kommenden zwei Wochen werden die Bewerber erfahren, ob sie demnächst in deutschen Kinos zu sehen sein werden — wenn auch vielleicht nur für eine Sekunde. „Viele hoffen darauf, entdeckt zu werden und groß raus zu kommen“, weiß Regieassistent Gregor Stitzl, „das gibt es, ist aber mehr als selten. Aber so eine Komparsenrolle ist trotzdem was Feines — man taucht in eine bis dato völlig unbekannte Welt ab und lernt auch den ein oder anderen berühmten Schauspieler kennen.“

Alois Neumair grinst vielsagend. „Oh ja, einige sind echt nett, aber auf manche kann man echt verzichten, denn die sind einfach nur: schrecklich.“