Buchtipp Vom alten Mann, der vor der Wirtschaftstür steht

Köln · Im Jahr 1971 sind die Bläck Fööss erstmals mit ihrem Song „Drink doch eine met“ auf die Bühne gegangen. „Ne ahle Mann steht vür d’r Weetschaffsdür, dä su jän ens eine drinken däht“ heißt es in dem Lied, das längst seinen Weg in das kölsche Liedgut gefunden hat und das bis heute die Menschen tief berührt.

Das Brauhaus Früh hat eine lange Tradition. Auch hier stehen Menschen vor der Wirtschaftstür und trinken ihr Kölsch.

Foto: step/Eppinger

„Aktueller denn je verkörpert es einen sanften Aufruf zu Achtsamkeit, Toleranz und Vorurteilslosigkeit und schlägt die Brücke zu den Menschen, die einsam sind und gerne ein Teil der Gemeinschaft wären“, sagt die Autorin Anke Schulte, die selbst bei der „1. Damengarde Coeln“ ihre karnevalistische Gemeinschaft gefunden hat.

Vom alten Fööss-Song hat sie sich zu ihrem jetzt im Marzellen-Verlag erschienenen Buch inspirieren lassen. Darin erzählt sie die Geschichte des Sizilianers Antonio, der, nachdem er mehrere Schicksalsschläge erleiden musste, nach Deutschland kommt, um in Köln als Gastarbeiter ein neues Leben zu beginnen.

Der frühe Tod seines Vaters, einem Weinbauern und Winzer, zerschlägt die Träume des jungen Antonio, der eigentlich Musiker werden wollte, um so durch Europa und die Welt zu reisen. Stattdessen übernimmt er die Arbeit im Weinberg und stellt so die finanzielle Versorgung seiner großen Familie sicher. Erst die Liebe zu Lucia öffnet ihm die Chance, sich neue Träume zu leisten und diese auch Wirklichkeit werden zu lassen.

Auch wenn die beiden nicht zusammen kommen, beginnt Antonio sich neue Welten zu erschließen und reist durch ganz Italien, um seinen Wein zu verkaufen. Letztlich entschließt er sich, Sizilien und seine Familie ganz zu verlassen, um in Rom eine eigene Weinhandlung zu eröffnen. Auf der Fahrt in die Hauptstadt lernt er Maria kennen, die ihn mit ihrem eleganten Auftreten und ihrem Lebensmut tief beeindruckt.

In Rom kommen die beiden als Paar zusammen und heiraten. Das Geschäft läuft derweil bestens und Antonio kann sich maßgeschneiderte Anzüge und handgenähte Schuhe leisten. Der sizilianische Wein wird zum Verkaufsschlager in Rom. Lange dauert es, bis Maria endlich schwanger wird und die Vorfreude auf das eigene Kind ist beim jungen Paar groß. Doch dann kommt es zu Komplikationen bei der Geburt, die Maria und ihre Tochter nicht überleben.

Antonio droht, an der Trauer um die beiden geliebten Menschen zu zerbrechen - er zieht sich komplett zurück und verfällt dem Alkohol. Doch da sind wieder seine Träume von einem Neubeginn, die in Form einer Anzeige für Gastarbeiter in Deutschland dank Antonios Freund Fabio, einem Restaurantbesitzer, schnell konkrete Formen annehmen. Antonio reist nach Köln und beginnt dort als Bauarbeiter auf einer Brücke sein neues Leben.

Das gestaltet sich nicht einfach, die Arbeit ist schwer und die Italiener von der Brückenbaustelle werden von den Einheimischen argwöhnisch als Fremde betrachtet. Doch die kleine Gemeinschaft im Bauwagen hält zusammen und entdeckt sogar die kölsche Lebensart für sich. Als Antonios jüngster Bruder Leonardo auftaucht, gerät diese Welt ins Wanken. Leonardo ist Alkoholiker und eckt sofort bei seinen Kollegen heftig an. Eines Morgens ist er plötzlich verschwunden und wird tot auf einer Wiese unter der Brücke entdeckt.

Für Antonio bricht erneut seine Welt zusammen, doch auch jetzt rappelt er sich wieder auf und heuert als Dachdecker bei der Dombauhütte an. Was bleibt, ist aber seine Trauer und seine Einsamkeit in der kleinen Wohnung in Nippes. Sehnsüchtig blickt er auf die Menschen vor dem Brauhaus in der Altstadt, die ihr Leben bei einem Kölsch genießen. Und dann steht plötzlich ein Mann vor ihm und sagt „Drink doch eine met“.

In ihrem Buch erzählt Anke Schulte sehr einfühlsam die Geschichte des Mannes, der nach schweren Schicksalsschlägen sein Leben immer wieder neu ordnen und erfinden muss und der letztlich in Köln sein Glück findet. Es ist eine hochaktuelle Geschichte in Zeiten, in denen immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft unter der Einsamkeit leiden und damit nicht zurechtkommen.

Anke Schulte: Vom alten Mann, der vor der Wirtschaftstür steht, Marzellen-Verlag, 142 Seiten, 12,95 Euro