Wie sind Sie selbst zum Schreiben gekommen?
Interview Der Alltag eines Kölner Profitexters
Köln · Der Kölner Autor Tankred Lerch war als Profischreiber für Promis wie Harald Schmidt und Stefan Raab im Einsatz und war Drehbüchern für Serien wie „Stromberg“ maßgeblich beteiligt. In seinem neuen Buch „Es muss wie ein Unfall aussehen“ gibt er Einblicke in seinen Berufsalltag und zeigt, wie man mit mit Spaß am Schreiben erfolgreich Texte verfasst, die analog genauso funktionieren wie in der digitalen Welt.
Wir haben Tankred Lerch im Belgischen Viertel getroffen.
Tankred Lerch: Durch das Lesen, und das konnte ich schon, bevor ich in die Schule gekommen bin. Meine Mutter hatte es mir beigebracht und gelesen habe ich meist in einem Buch mit biblischen Geschichten, das neben ihrem Bett lag. Darin waren die Buchstaben sehr groß, was das Lesen leichter gemacht hat. Später waren es dann die Bücher von Astrid Lindgren und die Geschichten mit Tom Sawyer und Huckleberry Finn, die mich begeistert haben. Das Problem war nur, dass ich mitten auf dem Land gelebt hatte, wo es nur eine kleine Grundschulbibliothek gegeben hat. Da durfte man in der Woche nur zwei Bücher ausleihen. So habe ich angefangen, Bücher für Erwachsene wie die „Buddenbrooks“ zu lesen. Bis heute nehme ich mir dieses besondere Buch jedes Jahr einmal vor.
Und dann kam das Schreiben.
Lerch: Ich habe mir schon immer gerne Geschichten ausgedacht. Mit neun habe ich mein erstes Buch geschrieben und mit einer Auflage von drei Exemplaren auch selbst verlegt. Diese wurden dann an meinen Vater, meine Mutter und meinen Bruder verkauft.
Kann man das Schreiben wirklich lernen?
Lerch: Ja, wie alles andere kann man natürlich auch das Schreiben lernen. Aber in meinem Buch geht es nicht unbedingt darum, den Leute das Schreiben beizubringen. Mir ist es wichtiger, dem Leser zu zeigen, wie man Spaß beim Schreiben hat und wie man eine Geschichte unterhaltsam erzählt. Und genau das kann man lernen. Jeder Text hat seine eigene Dramaturgie, die ihn für andere interessant und lesenswert macht. So gab es Angang der 2000er Jahr die „Gag Writers Academy“, als gemeinsames Projekt von Brainpool und des Grimme Instituts. Ausgesucht wurden die Autoren ausschließlich nach ihrer Idee. Im Workshop waren diese erstaunlich schnell in der Lage, aus der Idee einen guten Gag zu machen. Viele haben sich vorher einfach nicht getraut, ihre Idee in einem Text lustig umzusetzen und genau darum geht es jetzt auch in meinem neuen Buch. Viele Ratgeber zum Thema Schreiben sind total mit Fachbegriffen überfrachtet. Da verlässt den Leser der Mut schon nach den ersten 20 Seiten. Das will ich jetzt ändern und meinen Leser ihren eigenen Weg zum Schreiben aufzeigen.
Beruflich hat bei Ihnen alles bei der „Harald Schmidt Show“ begonnen.
Lerch: Der Ursprung war eigentlich mein Versuch, mich nach dem Volontariat bei einem Radiosender zu bewerben. Dort wurden immer mehr Nachweise und Zeugnisse verlangt. Und so habe ich mir einfach selbst ein Zeugnis ausgestellt. Das ist dann per Zufall bei der Kölner Produktionsfirma Brainpool gelandet und ich wurde eingeladen, zur Probe im Team der „Harald Schmidt Show“ zu arbeiten.
Wie war der erste Kontakt zu Harald Schmidt?
Lerch: Den habe ich direkt am ersten Tag getroffen. Ich kannte ihn davor nur aus dem Fernsehen und war erstaunt, wie groß er in Wirklichkeit ist. Das hat mir etwas Respekt eingeflößt. Wir haben uns kurz unterhalten, dann hat er mich in den Konferenzraum mitgenommen und mich dem Team vorgestellt. Die Zusammenarbeit mit Harald Schmidt hat mir viel Spaß gemacht.
Dann kam Stefan Raab und „TV Total“.
Lerch: Der Kontakt zu Stefan ist über Jörg Grabosch bei Brainpool entstanden. Dort wurde gerade an einer neuen Show für Pro7 gearbeitet. Dass „TV Total“ später so ein Erfolg wird und dass dieser bis heute anhält, hätte bei uns im Team damals niemand geglaubt. Wir haben das dann aber sehr genossen. Wir hatten damals Lust auf Quatsch, aber auch auf Ärger. Im Fernsehen wurde die Zuschauer oft für blöd verkauft, das wollten wir aufs Korn nehmen.
Wie ist eigentlich die berühmte Geschichte mit dem Maschendrahtzaun entstanden?
Lerch: Wir hatten studentische Sichter, die sich nach bestimmten Kriterien Fernsehbeiträge angeschaut haben. Ein Kriterium war die lustige Aussprache und genau da sind sie bei der Frau und ihrem Maschendrahtzaun fündig geworden. Die hat den Zaun wie ein Cowboy ausgesprochen und so kam die Idee, mit Truck Stop einen Countrysong zu machen, der dann direkt auf Platz 1 der Charts gestürmt ist. Entstanden ist er binnen einer Stunde bei unserer Konferenz.
Und wie kam es zur Idee mit den Knöpfen, über die Stefan Raab die Beiträge abruft?
Lerch: Stefan war eigentlich kein Moderator, sondern ein Musiker. Und der wusste nie, was er mit seinen Händen am Schreibtisch machen sollte. So kam, wenn ich mich richtig erinnere, die Idee, mit den verschiedenen Knöpfen, die Stefan wie bei einer Orgel bedient hat. Mit dem Knöpfen konnte Ausschnitte selbst abrufen und musste nicht auf Einspielungen aus der Regie warten. Das hat der Show deutlich mehr Geschwindigkeit gegeben.
Was macht einen guten, lustigen Text aus?
Lerch: Ein Gag-Schreiber muss lustig sein und mit seinen Texten die Leute zum Lachen bringen, sie darüber aber auch zum Nachdenken anregen. Ein guter Gag holt die Menschen für einen Moment aus ihrem Alltag heraus und macht ihnen wieder Lust auf den nächsten Tag. Davon kann man in der heutigen, ziemlich schwierigen Zeit eigentlich gar nicht genug haben.
Später haben Sie auch Drehbücher für Filme oder Serien wie „Stromberg“ geschrieben.
Lerch: Die unterscheiden sich eigentlich gar nicht so sehr vom Gag schreiben. Auch ein einzelner Gag hat genauso wie ein ganzer Dialog seine eigene Dramaturgie. Allerdings ist ein Drehbuch natürlich deutlich länger. Für mich hat sich meine Karriere als Autor immer so ergeben, dass, wenn ich etwas gut kann, die nächste, neue Herausforderung kommt. Bei der Serie war das einfach, weil ich mich da einfach an meinen Produzenten Ralf Husmann dranhängen konnte, als dieser mit den Serien begann. Von ihm habe ich sehr viel gelernt. Ein Text ist dann gut, wenn er etwas mit mir macht und wenn er in mir direkt Bilder und damit auch Emotionen entstehen lässt. Wichtig ist auch, dass bei einem Film sich die Szene von selbst verstehen lassen muss, der Dialog ist dann nur noch die Kirsche auf der Sahnetorte.
Wie läuft das mit dem Schreiben in der digitalen Welt bei Mails, What Apps oder Posts?
Lerch: Ich schreibe immer so, wie ich auch spreche. Wichtig ist zum Beispiel bei einer Mail oder bei einem Post bei Facebook auf den jeweiligen Adressaten zu achten, den man mit dem Text erreichen möchte. Bei Fremden würde ich da zum Beispiel nie direkt das vertrauliche Du verwenden. Bei Facebook, wo nur Leute meine Posts lesen, die ich gut kenne, ist das wieder ganz anders. Da muss ich die Dinge auch weit weniger erklären. Man sollte bei Beiträgen auf Social Media-Kanälen zudem immer auf die Länge der Lesezeit achten, die eine Minute in der Regel nicht überschreiten sollte.
Sie leben schon lange als Norddeutscher in ihrer Wahlheimat Köln. Wie halten Sie es mit den kölschen Texten?
Lerch: Mein Schwager Micky Nauber ist Produzent und Sänger bei den Domstürmern, da komme ich um das kölsche Liedgut nicht herum. Man sollte es, wenn man wie ich aus dem Norden´ist Stadt kommt, lernen, ein Kölner zu sein. Viele Dinge funktionieren in dieser Stadt anders. Aber wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, bleibt man hier.