Geschichte Eine Holztür wird zum „Werbeplakat“
Köln · Unter den großen romanischen Kirchen in Köln nimmt St. Maria im Kapitol eine besondere Position ein. In und mit ihr zeigte im 11. Jahrhundert Erzbischof Hermann II. seine ganze geistliche und weltliche Machtfülle.
So zogen im Mittelalter an den wichtigen christlichen Festtagen Würdenträger in einer pompösen Prozession nach einem exakt geregelten Stationswesen in die großen Kirchen der Stadt. So feierte man die erste Weihnachtsmesse in St. Maria im Kapitol, bevor es über St. Cäcilien zum Dom ging. Auch bei den Empfängen wichtiger geistlicher und weltlicher Würdenträger war dieses Gotteshaus stets die erste Kölner Station. Das galt auch für die Ankunft eines Kaisers wie der 1047 gekrönte Heinrich III., dem Hermann II. als Reichskanzler diente.
Daher wurden große Kirchen wie St. Maria im Kapitol entsprechend gestaltet. Vorbild war hier die beeindruckende römische Architektur, die Hermann II. und seine Schwester Ida, Äbtissin des Damenstifts St. Maria im Kapitol, bei einer Italienreise erlebt und bewundert hatten. Im Jahr 1040 gingen die beiden daran, die bisherige Stiftskirche im großen Stil umzubauen.
Der Ostchor diente repräsentativen Zwecken
Neu gebaut wurde die östliche Kirchenanlage mit drei Konchen und zwei separaten Eingängen. Einflüsse auf die Planungen des Ostchors hatten die St. Servatiuskirche in Maastricht und der Stabloer Chorplan. Die Choranlage war auf die Nutzung zu besonderen Anlässen durch hochrangige Würdenträger angelegt. Genutzt wurde diese ausschließlich vom Erzbischof, während seiner Schwester mit ihrem Stift das Langhaus vorbehalten war.
Ein Element dieser Anlage kann bis heute in der Kirche bewundert werden - eine Holztür, die in ihrer Art und Bildgestaltung einzigartig ist. Sie wurde im Norden angebracht, wo die Vorhalle bereits 1049 gebaut wurde. Im Süden entstand diese erst im Jahr 1164 anlässlich der Ankunft der Reliquien der Heiligen Drei Könige, bevor diese weiter in den Kölner Dom zogen.
Die Zeiten, in denen in Köln die neue Choranlage und die Holztür entstanden, waren ziemlich turbulent und durch Reformbestrebungen geprägt. Schon weit vor dem Beginn der Planungen zeichnete sich in der mittelalterlichen Politik ein tiefgreifender Konflikt zwischen der geistlichen und der weltlichen Macht ab. Ihren Höhepunkt fand die Entwicklung 1077 im Gang nach Canossa von König Heinrich IV., der Papst Gregor VII. zum Erfolg verhalf. Im Investiturstreit ging es um die Einsetzung von Äbten und Bischöfen, die wie der Kölner Erzbischof auch weltliche Ämter innehatten. In der Kritik stand der Ämterkauf, die sogenannte Simonie. Dazu kam das Chaos von drei miteinander konkurrierenden Päpsten, das erst durch die Synode von Sutri unter Kaiser Heinrich III. 1046 beendet wurde.
Was macht nun die Besonderheit der wertvollen hölzernen Tür in St. Maria im Kapitol aus? Zunächst waren Holztüren im 11. Jahrhundert eine Rarität, da man in den großen Gotteshäusern in der Regel auf die deutlich robusteren Bronzetüren setzte. Dazu kam, dass die gut erhaltene zweiflügelige Kölner Holztür, die 4,85 Meter hoch und 2,50 Meter breit ist, nur zu hohen Anlässen wie beim Besuch eines Königs geöffnet wurde. Erkannt wurde der Wert der Tür erst im 19. Jahrhundert. Seitdem rätseln die Forscher über ihr ungewöhnliches Bildprogramm, denn die Reihenfolge der 26 Reliefs weicht deutlich von den Berichten der Evangelien ab. Selbst an die Leserichtung christlicher Flügeltüren scheint sich der Autor nicht gehalten zu haben.
Die Erzählung selbst folgt dem Leben Christi, von der unbefleckten Empfängnis bis zur Auferstehung. Ungewöhnlich bei den Darstellungen ist der prominente Auftritt von König Herodes, der als wiederkehrender Nebendarsteller die Rolle eines Gegenspielers einnimmt. Durchgesetzt hat sich in den Forschungen mittlerweile die These von Klaus Gereon Beuckers.
Die Tür war als Mahnung an
die Herrschenden gedacht
Nach dieser steht Herodes für den unwürdigen und Christus für den wahren Königstyp. Ihr ausführlich dargestellter Gegensatz sollte Herrschern aller Zeiten eine Mahnung sein. Und genau diese Herrscher sollten nach den Plänen des Kölner Erzbischofs durch diese Tür schreiten, wenn sie in St. Maria im Kapitol empfangen wurde. Damit sollte in den unruhigen Zeiten des Investiturstreits ein klares Zeichen für den wahren Herrscher Christi gesetzt werden. So war die Holztür aus heutiger Sicht Teil einer gut durchdachten PR-Kampagne und wirkte im Mittelalter wie ein comicartiges Werbeplakat.
Diesen wissenschaftlichen Studien angenommen hat sich jetzt Gabriele Klempert in ihrer Publikation „Der unwürdige König“, die in der Reihe der „Blauen Bücher“ im Verlag Langewiesche Nachfolger erschienen ist. Ziel der Autorin war es, das 1999 veröffentlichte Buch Beuckers „Rex iubet - Christus imperat“ (Der König befiehlt, Christus herrscht) zu entschlacken und seine Thesen auch für den Laien verständlich wiederzugeben. Unterstützt wird dies mit insgesamt 37 Abbildungen.
Gabriele Klempert: Der unwürdige König. Das Bildprogramm der Tür von St. Maria im Kapito”, Verlag Langewiesche Nachfolger, 48 Seiten, 12,90 Euro