Was hat es mit dem Titel „Wolkenschieber“ auf sich?
Interview „Es ist an der Zeit, dass die düsteren Wolken wieder verschwinden“
Köln · Seit mittlerweile 30 Jahren sind In Extremo als Mittelalterrockband unterwegs und feiern mit ihrer Musik weltweit Erfolge. An diesem Freitag wird das neue Studioalbum „Wolkenschieber“ veröffentlicht.
Am 30. Dezember kommt die Band mit den neuen Songs zum Konzert ins Kölner Palladium an der Schanzenstraße. Wir haben vorab mit dem In Extremo-Sänger Michael Robert „Das Letzte Einhorn“ Rhein gesprochen.
Michael Robert Rhein: Wenn wir mit dem Schreiben und Produzieren beginnen, gehen wir immer mit sehr offenen Ohren und Augen durch die Welt. So haben wir bei unseren Recherchen auch den Berliner Apotheker Schultze gefunden, der anno 1874 nach langem Experimentieren einen „Special-Liqueur“ erfindet, der sich schon bald als Heilmittel riesiger Beliebtheit erfreuen sollte. Ein hochprozentiges Allzweck-Elixier, das bei Verdauungsstörungen ebenso seine wundersame Wirkung tat wie bei Liebes-Unlust, Schmerzen aller Couleur oder allgemeiner Schwermut. Ein bis drei Gläschen von Schultzes belebendem „Wolkenschieber“ - und schon waren Trübsinn und Kummer auf mirakulöse Weise verflogen. Für uns war das mehr als nur ein Getränk. Es ist wichtig, dass in einer so dunklen Welt, wie wir sie gerade haben, die düsteren Wolken verschwinden und endlich die Sonne wieder scheint.
Ist damit die Musik vom neuen Album so etwas wie eine Medizin?
Rhein: Das kann man so sehen. Mit unseren Konzerten erzeugen wir bei den Fans für ein paar Stunden gute Stimmung, in denen die Leute ihrem Alltag entfliehen können und ihren Frust zu Hause lassen. Kultur und Musik ist seit jeher für die Menschen ein wichtiges Ventil.
Was fühlen Sie als Musiker, wenn Sie von der Messerattacke in Solingen hören, die während eines Konzerts im Publikum passiert ist?
Rhein: Das so etwas bei einem unserer Konzerte passieren könnte, mag ich mir gar nicht vorstellen. Da weiß man gar nicht, wie man als Musiker in so einem Moment reagieren soll. Ich habe kein Verständnis, wenn sich Menschen von Politik oder Religion so beeinflussen lassen, dass sie fanatisch werden. Natürlich spielt die Sicherheit für unsere Fans bei den Konzerten für uns eine ganz zentrale Rolle. Anderseits kann man sich auch nicht von solchen Fanatikern erpressen lassen und alles so verschärfen, dass nichts mehr möglich ist. Das Ganze ist auf jeden Fall ein Thema, dass uns sehr nachdenklich macht.
Wie lief die Arbeit für das neue Album ab?
Rhein: Unser Gitarrist Basti bereitet alles so weit vor, sodass wir mit einer Rohfassung ins Studio gehen können. Dann kommen die Lyrics dazu und es beginnt eine sehr intensive Arbeitsphase, die aber auch allen viel Spaß macht. Da müssen auch immer wieder unsere Mittelalter- und unsere Rockfraktion zusammenfinden. Das ist ein sehr langer Prozess, der in der Regel etwa ein Jahr dauert. Wir haben immer den Ehrgeiz, ein wirklich gutes Album zu machen, das wir erst dann veröffentlichen, wenn wir damit wirklich zufrieden sind.
Wie wichtig ist dabei das Teamwork?
Rhein: Wir sind jetzt seit 30 Jahren als Band zusammen, da hat man viel erlebt, was einen zusammenschweißt. Natürlich kracht es dann auch mal, wie in einer alten Ehe. Aber man kommt dann wieder zusammen, denn erst, wenn alle an einem Strang ziehen, entstehen wirklich gute Songs.
Wie hat sich die Band in diesen drei Jahrzehnten verändert?
Rhein: Mit In Extremo sind wir zunächst auf Mittelaltermärkten aufgetreten. Danach hat sich die Band stetig weiter entwickelt und es ging Schritt für Schritt bergauf. Später kamen dann die großen Hallen und die internationalen Auftritte dazu. Das fing in den 2000ern in Mexiko an und inzwischen haben wir, abgesehen von Kanada und Australien, in fast allen Ländern weltweit gespielt. Das ist für uns ein echtes Geschenk, für das wir sehr dankbar sind. Es ist schön, zu sehen, welche Euphorie wir mit unserer Musik bei den Fans von Südamerika bis Asien entfachen können.
Beim aktuellen Album gibt es wieder viele illustre Gäste.
Rhein: Wir hatten, abgesehen vom letzten Album, eigentlich immer Gäste dazu geholt. Jetzt waren es sogar zwei mehr, als ursprünglich geplant. Joey Kelly und ich sind seit langer Zeit gute Freunde und ich kenne auch die gesamte Familie. Diese hatte den gleichen Werdegang wie wir und kam von der Straße in die großen Hallen. Im Studio stand Joey dann auf einmal mit seinem Bruder Jimmy da, den er mit gebracht hatte, weil der besser singen könne als er selbst. Auch Björn Both von Santiano und Joachim Witt kenne ich sehr gut. Da haben die jeweiligen Songs sehr gut gepasst und beide haben auf Anhieb zugesagt, als wir sie angefragt haben.
Sie waren gerade auf Ihrer Burgentour unterwegs. Was macht da den Reiz für Sie aus?
Rhein: Da liegen unsere Wurzeln mit den Mittelaltermärkten. Und die wollen wir auf keinen Fall verleugnen. Es ist toll, zu sehen, wie die Leute verkleidet zu unseren Konzerten auf die Burgen kommen. Das ganze Ambiente dort ist einfach großartig.
Nun steht am 30. Dezember der Jahresabschluss im Kölner Palladium an.
Rhein: Das ist für uns ein besonderes Konzert. Ich lebe ja seit mittlerweile 25 Jahr in der Region um Kerpen und beim Kölner Konzert kommen dann die gesamten Freunde. Das ist für uns immer ein echtes Heimspiel. Wir werden dann mit unserem neuen Album unterwegs sein und haben uns dazu auch beim Bühnenbild viel Neues einfallen lassen. Unsere Fans können sich auf viel Radau und einige Überraschungen freuen.
Karten gibt es online unter: