Bank-Betrüger bescheren Kidstown ersten Skandal seiner Geschichte

Bei der Ferienaktion schufen die 95 Teilnehmer ihre eigene kleine Stadt — mit Bank und Rathaus, Medienzentrale und einem Kreativ-Atelier.

Foto: Dietrich Janicki

Wülfrath. Sichtbar empört stürmen zwei Jungs herbei. „Ihr müsst sofort kommen, wir haben da was entdeckt.“ Zwei Ex-Banker verfügen plötzlich jeweils über 622 Townies auf den Habenseiten ihrer Konten. „Das können die unmöglich in der kurzen Zeit verdient haben“, sagt Lasse (9). Schließlich ist er schon zum vierten Mal dabei und zum ersten Mal der Bürgermeister von Kidstown. In der Stadt der 95 Ferienkinder bahnt sich der erste große Skandal an.

Offenbar haben zwei Jungen ihre Zeit als Bankbeamte der Kinderstadt genutzt, um sich selbst größere Beträge der Kidstown-Währung „Townie“ gutzuschreiben. „Wir reden nur noch kurz mit der Presse und kommen dann“, versichert die sechsjährige Bürgermeisterin Maja. „Dass hier manchmal geklaut wird, gefällt mir gar nicht.“ Und Lasse schnaubt: „Das können die doch niemals alles ausgeben. Aber irgendwie gehört auch diese Erfahrung dazu — zu der Stadt der Kids, „Kidstown“.

Zwei Wochen lang haben Mädchen und Jungen zwischen sechs und elf Jahren die Sekundarschule an der Bergstraße in eine eigene Kommune verwandelt — mit Rathaus und Bank, Medienzentrale und Kreativ-Atelier, einer eigenen Ladenstraße und einem Restaurant. Jeder Kidstown-Tag startet mit einer Bürgerversammlung, Punkt 9.30 Uhr. Dann — und das ist nun anders als in der Welt der Erwachsenen — macht jeder genau das, worauf er gerade Lust hat. Wer einen Führerschein erworben hat, darf Roller und Kettcar fahren. In der Bastelstube entstehen Puppen oder Taschen, die in den Läden nebenan — gegen Townies — verkauft werden. Bürgermeisterin Maja war am Morgen im Schönheitssalon und hat sich ein pinkfarbenes Band um eine Haarsträhne zwirbeln lassen.

In der Turnhalle sind sie gerade mit dem Blindenparcours fertig. Im Restaurant hat der große Abwasch begonnen. Und Lasse und Maja sind Kraft ihres Bürgermeisteramtes dabei, die Unregelmäßigkeiten in der Kontoführung zu klären. Auf eine Begleitung durch die Kidstown-Polizei hat Maja erst einmal verzichtet. „Die sind immer so streng“, findet sie.

In beiden Ferienwochen waren echte Politiker zu Gast. An den Diskussionstischen mit ihnen ging es um Spielplätze in der Stadt. Und um Kinderrechte. Dabei wurde auf die Rollenverteilung viel Wert gelegt. Bei der sekundenschnellen Diskussion, dem „Speed Debating“, stellten die Politiker die Fragen, die Bürger von Kidstown antworteten.

Frage an die Leiterin der Ferienfreizeit, Angela Sprink, sonst Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendförderung im Jugendamt: „Ist ein Kind den ganzen Tag auf seine Rolle als Ladenbesitzerin oder Bankmitarbeiterin festgelegt? „I wo, die Kinder wechseln den ganzen Tag zwischen den unterschiedlichen Bereichen — so wie es ihnen Spaß macht.“ Die elf Erwachsenen müssen den kindlichen Sturm und Drang lediglich in halbwegs geordnete Bahnen lenken. Und mit dem Wetter versöhnen.

In der vergangenen Woche hielt der Starkregen Eltern und Kinder als „Geiseln“ im Schulgebäude. Niemand traute sich, einen Schritt nach draußen zu machen. Lasse erinnert sich wehmütig an die vergangenen Ferienaktionen: „Damals haben wir mehr Ausflüge gemacht.“ Nun steht aus Kostengründen nur noch einer auf dem Programm: Ein Besuch bei „EDB — Erfolg durch Bildung“, wo die Kinder in echten Werkstätten arbeiten dürfen.