Firmenjubiläum: Seit 60 Jahren gibt es Raumausstattung Reineke in Neviges
Gründer Willi Reineke hat Sessel und Garnituren noch selbst gefertigt.
Neviges. Welche Matratze darf’s denn sein? Kaltschaum oder Federkern? Und der Rahmen? Buche oder Eiche? Das spielt gerade keine Rolle. Neben den Betten im Verkaufsraum seines Möbelgeschäftes schiebt Willi Reineke einen Vorhang zur Seite. Dahinter taucht die Werkstatt auf. Die Werkstatt, in der der Nevigeser vor 60 Jahren seine ersten Polstermöbel fertigte.
„Hiermit hat alles angefangen“, sagt Reineke und nimmt einen Holzhammer aus dem Werkzeugregal. Er ist von beiden Seiten rundgeschlagen.
Daneben hängen Fuchsschwanz und Eisenzange. 60 Jahre alte Originale. „Aber die werden kaum noch genutzt, mein Sohn hat da drüben moderne Geräte“, sagt er und zeigt auf ein Regal ein paar Meter weiter.
Dutzende alter Zigarettendosen dienen als Materialbehälter: „Hier sind 25er-Nägel drin und hier Kammzwecken Halbzoll“, erklärt der 83-Jährige. „Früher haben wir diese Blauköppe reingeschlagen, um den Polsterstoff zu fixieren. Heute wird ein Elektrotacker benutzt.“
Durch die Oberlichter fällt Tageslicht auf eine Flasche Glyzerin. Aufschrift: „Drogerie Waldemar Bente, Neviges“. „Damit haben wir die Werkzeuge gereinigt.“ Auch der Inhalt der Zigarrenschachtel „Kommerzienrat Sumatra-Auslese“ hat sich im wahrsten Sinne des Wortes längst in Luft aufgelöst. Sie beherbergt jetzt Inbusschlüssel.
„Ich habe SPD gelernt“, sagt Willi Reineke, „Sattler, Polsterer, Dekorateur.“ Am 1. April 1953 gründete er den Betrieb, der seitdem am Hasenkampsplatz seine Heimat hat. Seine erste Werkstatt war nicht größer als eine Garage, wie alte Fotos zeigen. „Die ersten 23 Jahre habe ich alle Polstermöbel selbst gefertigt, dann kam die Industrie.“
Heute werden Möbel in dem Familienunternehmen noch verkauft und aufgearbeitet, aber nicht mehr eigens hergestellt. „Da kommen wir bei den Preisen nicht mit. Das ist schließlich alles Handwerk“, sagt der 83-Jährige. 1995 übernahmen seine Kinder, Anette Büsen und Michael Reineke, das Geschäft. Der Senior berät aber weiterhin Kunden. Das Sortiment hat sich mit den Jahren vergrößert: In drei voneinander getrennten Verkaufsräumen gibt es Couchgarnituren, Betten sowie Wohnaccessoires, Bodenbeläge und Gardinen.
Mit einer solchen ist gerade Erika Naumann an der Nähmaschine beschäftigt. Mit 14 Jahren hatte sie hier 1971 ihre Lehre begonnen und ist als einzige Näherin bis heute übrig geblieben. „Der Mangel an Mitarbeitern ist im Außendienst spürbar“, sagt Michael Reineke. „Da muss ich Aushilfen engagieren, denn Möbel anzuliefern, ist allein nicht machbar, zumal die Polstermöbel immer wuchtiger werden.“ Nicht immer steht dabei der einfache Weg durch die Haustür zur Verfügung: „Ich musste auch schon mal ein Sofa über die Leiter durchs Fenster in den ersten Stock schleppen.“
Anette Büsen ist zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren sattelfest weitergeht: „Die Vertrauensbasis ist durch die Familie gegeben.“ Ihre Tochter Jennifer, gelernte Veranstaltungskauffrau, kümmert sich bereits um die Werbung, etwa im Internet. Denn die Zeit macht auch vor dem langlebigen Möbelgeschäft nicht Halt.