Ihre Herzen schlugen für die Hauptschule
Ulrike Haas leitete von 2004 bis 2015 die Wolverothe-Hauptschule, Monika Kaiser war seit 1977 Hauptschullehrerin. Zur Pensionierung blicken sie zurück auf eine sterbende Schulform, die sie beide liebten.
Wülfrath. Was waren das für Diskussionen mit den Eltern. Die frisch pensionierte Schulleiterin Ulrike Haas erinnert sich daran zurück, wie schwer es war, Menschen für die Hauptschule zu begeistern. „Das tat schon weh“, sagt Haas. Schließlich sei aus den Schülern, ja oft etwas geworden. Ein Argument, das nicht zählte. Ein Vater habe ihr einmal gesagt: „Würde nicht Hauptschule drüber stehen, würde ich mein Kind ja anmelden.“
Von 2004 bis zum Ende im Jahr 2015 war Ulrike Haas (früher Preuß) Rektorin der letzten Wülfrather Hauptschule. Zum Beginn der Sommerferien ging die 64-Jährige in Pension. Mit ihr verabschiedete sich ein weiteres Hauptschul-Urgestein: Lehrerin Monika Kaiser (64) fing 1977 in der damaligen „Hauptschule II“ in Wülfrath an. Beide begleiteten rund 70 Schüler und sechs Kollegen bei ihrem Umzug von Wülfrath zur Anne-Frank-Schule nach Mettmann. Eine bewusste Entscheidung. „Ich habe zuerst schon darüber nachgedacht aufzuhören, aber schließlich wollte ich die Herausforderung“, sagt Haas.
Die war größer, als sich die Frauen das vorgestellt hatten. „Das war bei uns in Wülfrath eine relativ heile Welt“, sagt Monika Kaiser. In Mettmann sei der Anteil der Kinder, die — wie Haas sagt — „aus der Spur geraten sind“, größer. Hinzu kommen zusätzliche Herausforderungen wie Inklusion und Seiteneinsteigerklassen mit ausländischen Kindern. 35 der verbliebenen 140 Schüler, der ebenso in zwei Jahren auslaufenden Mettmanner Einrichtung, sprechen kein richtiges Deutsch.
Mit Sorge blicken Haas und Kaiser angesichts dieser Zusatzaufgaben in die Zukunft. Mit dem Aussterben der Hauptschulen werden Gesamt- und Sekundarschulen die Schüler auffangen müssen, die es nicht aufs Gymnasium schaffen. Dass das angesichts der immer größeren Klassen funktioniert, bezweifeln sie. „Man muss aufpassen, dass schwache Kinder nicht auf der Strecke bleiben“, so Haas.
Wird die Hauptschule nicht gerade jetzt wieder gebraucht? Laut Haas nicht zwangsläufig. Mit Blick auf andere Schulsysteme in Ländern wie Dänemark und Schottland sagt sie: „Es geht auch ohne Hauptschule.“ Allerdings müsse die Sekundarschule auch in der Form gelebt werden, wie sie versprochen wurde. Das gehe nur mit kleinen Klassen.
Die hat es an der Hauptschule zum Schluss immer gegeben. Ein Nebeneffekt, der zunehmenden Stigmatisierung der Schulform. Lehrerin Monika Kaiser merkte über die Jahre, wie nach und nach das Leistungsniveau der Schüler absank. „Wir haben vor 30 Jahren Klassenarbeiten geschrieben, die wären heute gar nicht mehr möglich“, sagt sie. Schuld war am Ende das Wahlverhalten der Eltern.
Übrigens: Den Vater, der seinen Sohn partout nicht auf der Hauptschule anmelden wollte, hat Haas dann nach zwei Jahren Kampf auf der Realschule wieder bei der Anmeldung begrüßen können. Kein Einzelfall, einmal musste eine ganze Klasse der Realschule auf die Hauptschule heruntergestuft worden. Viele Kinder seien dann auf der Hauptschule aufgeblüht. Kaiser sagt: „Jeder Mensch braucht Erfolgserlebnisse. Die gab es bei uns.“
Auch die Lehrerschaft hatte viele freudige Momente. Wenn Schulprojekte erfolgreich waren, dann ging das Herz von Ulrike Haas auf, die ihre Zeit als Rektorin nicht missen möchte. Sie zieht es wegen ihres neuen Mannes in den Schwarzwald. „Ansonsten hätte ich so lange weitergemacht, wie man mich gelassen hätte.“