Lebens-Künstler: Rückkehr als proppere Matrone
1998 wurde Carsten Caniglia im Musical „Adam“ stadtbekannt. Silvester spielt der 35-Jährige im Forum Niederberg „Charley’s Tante.“
Velbert. Sein Liebesgott Amor ist legendär: Carsten Caniglia wurde spätestens 1998 stadtbekannt, als er im Musical „Adam“ der Velberter Musik- und Kunstschule die Hauptrolle im Forum Niederberg ausfüllte. Der heute 35-Jährige machte am Nikolaus-Ehlen-Gymnasium Abitur, war Gründungsmitglied der Velberter Theatergruppe „Toll-Wut“ und absolvierte seine Ausbildung zum Schauspieler an der Folkwang-Universität in Essen.
Am 31. Dezember kehrt er ins Forum zurück, um mit der Burghofbühne Dinslaken ab 18 Uhr in der Komödie „Charley’s Tante“ die Titelrolle zu spielen. Doch der Weg dorthin war eine Fahrt ins Ungewisse. So muss Einsamkeit sein. Nachts um zwei. Auf einem Bahnsteig bei Graz. Nur er und der Regen. Nicht mal für den Getränkeautomaten hatte er noch Münzen. Ein Regisseur hätte es nicht besser inszenieren können. Nur handelte es sich nicht um eine Inszenierung.
Wenige Stunden zuvor war Carsten Caniglia an der Universität für Darstellende Kunst in Graz empfangen worden. Er durfte vorsprechen. Schillers Räuber, Schwabs Volksvernichtung. Und wieder gehen. Das kannte er schon. Potsdam, Bochum, Wien. An fast allen deutschsprachigen staatlichen Schauspielschulen hatte sich der gebürtige Bottroper vorgestellt — doch sie schickten ihn wieder weg. Ebenso Schauspiellegende Klaus Maria Brandauer, der auf Schloss Schönbrunn zum Casting gebeten hatte.
Eine Ausbildung als Krankenpfleger hatte Caniglia hinter sich — vier Jahre an der Diakonie Kaiserswerth. Ein Beruf mit Verantwortung, aber nicht sein Lebenstraum. Der durfte erst wahr werden, als er 2001 zu seinen heimischen Wurzeln zurückkehrte — an die Folkwang-Uni nach Essen-Werden, die unweit der Velberter Stadtgrenze liegt. 900 Bewerber, acht Plätze. Einer gehörte von nun an ihm.
Auch wenn der Unterricht oft von 9 bis 22 Uhr dauerte, war es eine „geile Zeit“, die er 2005 mit dem Diplom abschloss. Er ging nach Esslingen, um Kinder- und Jugendtheater zu machen, und sich danach als Freiberufler an Stückverträgen entlang zu hangeln — unter anderem für das Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit 2009 ist Caniglia festes Ensemblemitglied der Burghofbühne Dinslaken. Gültig bis 2013. Eine Sicherheit, die viel wert ist. Denn der Hobby-Gitarrist, dessen Frau Hebamme ist, wurde vor wenigen Wochen zum zweiten Mal Vater. Tochter Smilla (2) hat nun einen Bruder, Matti.
Trotzdem reicht das Bühnenengagement allein nicht aus. Seine Karriere als Krankenpfleger setzt er daher als Nebenjob am Essener Elisabeth-Krankenhaus fort. Auf lukrative Filmrollen wartet der 35-Jährige noch. Bisheriges Highlight war ein Werbespot mit David Hasselhoff.
Dass Caniglia nun erneut in der Schlossstadt zu Gast ist (im Oktober war er mit „Der Richter und sein Henker“ zu sehen), bedeutet ihm viel: „Ich hatte in Velbert eine bewegende Theaterzeit.“ Sie führte ihn vom Schultheater über das Amateurensemble „Toll-Wut“, mit dem er beim Theatertreffen „SATT“ im Bürgerhaus Langenberg auftrat, bis zu Produktionen der Musikschule.
Im Klassiker „Charley’s Tante“ steht er erstmals als Frau auf der Bühne. Oder besser gesagt: Als Mann, der eine Frau spielt. Das Kostüm trage viel dazu bei, sich in die Rolle hineinzuversetzen. Allerdings hat es auch eine Nebenwirkung: „Ich sehe als proppere Matrone furchtbar aus. Es greift mich in meiner Eitelkeit an, hat aber nun mal seinen Effekt“ — mitten im Scheinwerferlicht, das ihm nur noch wenig Sorgen bereitet. „Früher war ich mächtig aufgeregt; jetzt beginnt das Lampenfieber erst fünf Minuten vorher.“ Ändert aber nichts: „Wenn der Lappen hochgeht, muss man loslegen.“