Neviges Köster bringt noch mehr Schicksale ans Licht

Neviges. · Der Historiker aktualisiert sein Buch über Widerstand und Verfolgung in Neviges.

Rainer Köster forscht zu Widerstand und Verfolgung in Neviges.

Foto: Ulrich Bangert

Mit „Nacht über Neviges“ hat Rainer Köster im Oktober eine erschütternde Dokumentation über Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit veröffentlicht. Vor gut 40 Jahren hat der pensionierte Lehrer der Gesamtschule Velbert mit den Recherchen begonnen. Heute verfügt er über 1500 Schicksalsdaten aus dem Kreis Mettmann. Es ist das Lebensthema des Velberter Historikers und Kommunalpolitkers der Linken. Jetzt hat Köster Kenntnis von weiteren Opfern erhalten. „Das Forschen endet im Grunde nie. Man muss überall seine Augen und Ohren offen halten. ,Mut zur Lücke’ war noch nie mein Ding“, sagt Rainer Köster im Gespräch mit der WZ. Deshalb gibt er gerne die neuen Informationen an die Leser seines Buches zum Einlegen weiter.

„In vier Fällen gab es auch Verwechslungen von jüdischen Menschen, die nicht in Neviges geboren worden waren, das vor Mitte der 30er Jahre meist als Hardenberg bezeichnet wurde, sondern in der niederländischen Stadt Hardenberg. Das zu unterscheiden, war für die israelische Gedenkstätte Yad Vashem sicher sehr schwierig, weil nach 1933 viele deutsche Juden in die Niederlande flüchteten und nach der deutschen Besetzung 1940 auch von dort in die Vernichtungslager der Nazis deportiert wurden“, führt Köster aus. Auch ins Nachbarland Belgien hätten Juden enge Kontakte gepflegt. „Diese Familien waren schon damals moderne Europäer“, sagt der Velberter.

Als Beispiele für Verwechslungen nennt Köster Zina van Gelderen und Therese Leviticus, die im niederländischen  Hardenberg wohnten, nach Auschwitz deportiert und für tot erklärt wurden. Zudem Martha Lazarus sowie Sientje Rozenthal, die beide in Hardenberg/NL geboren waren und von Westerbork/NL nach Sobibor in den Tod geschickt wurden. „Diese Namen finden sich in Frank Overhoffs Buch ,Biografische Notizen von Opfern der Shoah aus Langenberg, Neviges und Velbert’ auf den Seiten 41 bis 87 aus dem Jahr 2014 nicht mehr, dafür allerdings 17 weitere jüdische Menschen, die zwischen 1900 und 1936 wenige Tage bis mehrere Jahre in Neviges gewohnt oder gearbeitet haben und später in den Vernichtungslagern der Nazis starben, für tot erklärt wurden oder verschollen sind“, so Köster in Bezug auf die Quelle aus der Feder des Langenberger Pfarrers.

Die angesprochenen 17 Nevigeser sind: Sofia Berg, Sibilla Bruch, Rosa Cahn, Wilhelm Erschler, Isaak Gichner, Adolf Hartog, Ilse Jacobi, Alexander Jordan, Otto Kaufmann, Ernst Levy, Wilhelm Löwenstein, Fritz Oberdorff, Iwan Jakob Rosenstein, Max Rosenthal, Bernhard Wallach, Liebmann Weinstein und Jette Wolf.

Auch das Leid der Zwangsarbeiter soll wach gehalten werden

Darüber hinaus ist Köster bei Overhoff noch auf hier geborene und im Ghetto oder Konzentrationslager umgekommene Nevigeser gestoßen. Marcus Meyer, geboren am 19. März 1868, später von Köln über Berlin nach Lodz/Polen deportiert und danach ins KZ Buchenwald „überführt“, starb dort am 11. März 1945 als sogenannter „politischer Jude“, was zumindest seine kritische Haltung gegenüber dem Nazi-Regime nahelege.

Salomon Sassen, geboren am 1. Januar 1876 in Großehöhe, dem heutigen Tönisheide, wurde 1937 wegen „kommunistischer Mundpropaganda“ 17 Tage lang inhaftiert, 1938 vom Sondergericht Dortmund wegen „Beleidigung der Wehrmacht“ zu einem Monat Gefängnis verurteilt und 1941 von Essen aus nach Lodz deportiert. Dort starb er am 24. Mai 1942.

Gertrud Hasselbeck lebte ab 1928 an der Elberfelder Straße 106. Sie stammte aus Halberstadt und war mit dem Kaufmann Friedrich Ernst Hasselbeck (13.3.1893 bis 20.10.1949) verheiratet. Ihre Mutter, eine geborene Mondschein, starb am 4. März 1944 in Theresienstadt. Gertrud Hasselbeck nahm sich am 17. September 1944 in Neviges das Leben.

Grete Meyer wurde nach ihrer Deportation 1941 vom Rigaer Ghetto noch ins KZ Stutthof weiter ‚verbracht‘. Auf dem Todesmarsch von dort nach Oranienburg überlebte sie schwer verletzt und starb am 9. Juni 1958 in Goch.

Die Erinnerung an das Leid der Zwangarbeiter wach zu halten, ist Rainer Köster ebenfalls ein wichtiges Anliegen. Deshalb fügt er den Ergänzungen auch die 30 Namen und Lebensdaten von Russinnen und Russen von den Grabplatten am Nevigeser Zwingenberg bei.

„Der Absatz meines Buches läuft widererwartend gut. Schließlich konnte ich wegen der Pandemie gerade einmal drei Vorträge im Awo-Stadtteiltreff halten. 150 Exemplare sind verkauft, der größte Teil über den örtlichen Buchhandel“, so Köster. Er hofft, noch viele Leser zu finden. „Denn der Rassismus ist nicht historisch, er ist leider ein allzu gegenwärtiges Problem.“ Das im Eigenverlag erschienene Buch ist für 12,50 Euro erhältlich. Die Ergänzungen gibt es auch nach Mai an: